Anfrage: Wohnkostenlücke schließen

DIE LINKE. Kreistagsfraktion Siegen-Wittgenstein

Anfrage gemäß § 3 Abs. 1 GO KT zur Sitzung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Bevölkerungsschutz am 1. Dezember 2021 sowie für den Kreisausschuss und Kreistag am 17. Dezember 2021

Sehr geehrter Herr Landrat Müller, die LINKE-Fraktion im Kreistag Siegen-Wittgenstein bittet um Beantwortung der nachstehenden Fragen zum Thema „Wohnkostenlücke schließen – Kosten der Unterkunft für ALG II-Bezieher:innen existenzsichernd gestalten“.

Sachstand:

Die Kosten der Unterkunft für Bezieher:innen im Arbeitslosengeld-II-Bezug ist derzeit weit davon entfernt, existenzsichernd gestaltet zu sein. Der massive Mietanstieg der vergangenen Jahre belastet arme Haushalte bis hin zu Haushalten mit mittlerem Einkommen stark – Tendenz: weitere Verschärfung. Aus unserer Sicht ist die Übernahme der Wohnkosten derzeit unzureichend gesetzlich geregelt, obwohl unseres Erachtens Wohnen zum verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum gehört.

Der massive Mietenanstieg in den vergangenen Jahren belastet arme Haushalte bis hin zu Haushalten mit mittleren Einkommen massiv. Zu den betroffenen „armen“ Haushalten gehören insbesondere Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld, von Hilfe zum Lebensunterhalt und von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dabei ist die Übernahme von Wohnkosten unzureichend gesetzlich geregelt – obwohl Wohnen zum verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum gehört. Weil die gestiegenen Mieten und die gesetzlichen Regelungen auseinanderklaffen, ist es für Leistungsbeziehende oft schwierig bis unmöglich, entsprechenden Wohnraum zu finden. Das Ausmaß dieses Problems lässt sich anhand der Wohnkostenlücke erfassen. Die Wohnkostenlücke bezeichnet die Differenz zwischen den Wohnkosten, die als tatsächliche Kosten erfasst sind, und den Leistungen, die die Jobcenter und Sozialämter auszahlen.

Heutzutage ist es - leider - ein Glücksfaktor, ob man in einer finanzstarken oder einer finanzschwachen Kommune lebt und ob der Wohnungsmarkt vor Ort angespannt ist oder nicht. Es ist auch ein Glücksfaktor, ob die zuständige Verwaltung zu rechtmäßigen Leistungen bereit ist oder ob sie bei Personen spart, die kaum eine Lobby haben. Das Grundrecht auf ein Existenz- und Teilhabeminimum gilt aber für Alle. Die bundesweite Uneinheitlichkeit bewegt sich an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit. Mit gutem Grund protestieren daher Betroffene vehement gegen diesen jahrelangen Missstand. Erschwerend kommen für viele Betroffene noch Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt dazu. Betroffen davon sind Arbeitslosengeld-II-Berechtigte, Migrantinnen und Migranten, ferner auch Überschuldete, vormals Wohnungslose und Alleinerziehende.

Damit alle Menschen sicher wohnen können und sich die Miete nicht vom Mund absparen müssen, sind Reformen in unterschiedlichen Richtungen notwendig: Zum einen müssen die Wohnkosten im SGB II und im SGB XII einheitlich auf einem existenzsichernden Niveau garantiert werden. Außerdem muss geregelt werden, dass Mietensteigerungen nicht auf Kosten von armen Menschen gehen. Zum anderen muss dafür gesorgt werden, dass bezahlbarer Wohnraum im Kreis Siegen-Wittgenstein überhaupt vorhanden ist. Die Richtwerte für die abstrakte Angemessenheit von Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II, den §§ 35, 42a SGB XII müssen so berechnet werden, dass entsprechender Wohnraum tatsächlich und ausreichend verfügbar ist bzw. vorgehalten wird, auch für Menschen in den Bezügen in unserem Kreisgebiet. 

Aus der oben genannten Schilderung ergeben sich folgende Fragen:

1. Werden in Orten mit angespanntem Wohnungsmarkt nicht nur Wohnungen mit einfachem Standard, insbesondere in einfacher Lage, sondern auch mit mittlerem Standard, insbesondere in mittlerer Lage, bei der Vergabe an Mitbürger:innen in Bezügen berücksichtigen?

2. Werden die Vergleichsräume entsprechend so gebildet, dass sozialräumliche Durchmischung möglich bleibt und innerstädtische Ghettoisierung vermieden wird?

3. Werden neben der Haushaltsgröße auch besondere persönliche Situationen berücksichtigt, die größeren Wohnraum erfordern, wie z. B. das Zusammenwohnen mit Kindern, die Wahrnehmung eines Umgangsrechts, eine Behinderung oder eine Schwangerschaft?

4. In welchem zeitlichen Abstand werden die Angemessenheitswerte neu festgesetzt? Geschieht dies auch in Regionen des Kreises Siegen-Wittgenstein mit stark steigenden Mieten anhand neu erhobener Daten?

Wenn ja – Wo sind die Daten einsehbar? Werden Sie zwischenzeitlich angepasst, sofern die Entwicklung der Angebots- und Neuvertragsmieten wesentliche Sprünge aufweist?

Wir bitten um zeitnahe Beantwortung unserer Anfrage und bedanken uns im Voraus.

 

Mit freundlichen Grüßen

Ullrich-Eberhardt Georgi  (Fraktionsvorsitzender)
Ingo Langenbach (Fraktionsgeschäftsführer)