Arbeitsweise der Kreisausländerbehörde im Fall der Familie Muradi

DIE LINKE. Kreistagsfraktion Siegen-Wittgenstein

Sehr geehrter Herr Landrat Müller,

sehr geehrte Damen und Herren,

die LINKE-Fraktion im Kreistag Siegen-Wittgenstein bittet um Beantwortung der unten stehenden Fragen schriftlich im Vorfeld der n.chsten Sitzung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Bevölkerungsschutz.

Sachstand:

Die Fraktion DIE LINKE hat in dieser Wahlperiode regelmäßig Anfragen zur Arbeitsweise der Kreisausländerbehörde gestellt, so dass uns die Verhaftung der Frau Muradi am 11.02.22 in den Räumlichkeiten der Behörde in der Annahme bestätigt, dass es eine grundlegende personelle Änderung und inhaltliche Neuausrichtung der Behörde geben muss.

Die Behörde ist nicht der ersten Empfehlung des Petitionsausschuss NRW gefolgt und hat Herrn Muradi keine Ausbildungsduldung in einem Pflegeberuf erteilt, obwohl der Petitionsausschuss am 14.04.21 festgestellt hatte, dass die Eheleute Muradi ihrer Mitwirkungspflicht ausreichend nachgekommen sind und die Identität als „geklärt“ gilt. Ebenso weist der Petitionsausschuss auf die Integrationsbemühungen, wie gute Sprachkenntnisse im Selbststudium, Engagement im Dorfverein, gute Integration der Kinder in Kindergarten und Schule, gelungenes Praktikum in der Altenpflege durch Hr. Muradi) hin. Stattdessen wurde schon im Dezember 2021 die Abschiebung der gesamten Familie durch Flugbuchungen für den 15.02. diesen Jahres vorbereitet. Noch deutlicher kann eine Behörde nicht zeigen, wie wenig sie eine „Willkommensbehörde“ ist.

Es war der Behörde somit früh klar, dass die Bemühungen des Ehrenamtes, der Zivilgesellschaft und des Bündnisses „Recht zu bleiben“ aussichtlos sein sollten. Trotzdem wurde mehrmals signalisiert, an Lösungen zu arbeiten.

Bei einem regulären Termin am 11.02.22 wurde Frau Muradi in Gewahrsam genommen und von ihren Kindern getrennt ‒ trotz eines Ausbildungsvertrages. Anschließend wurde sie nach richterlicher Anhörung nach Ingelheim in ein Abschiebegefängnis überführt, mit der Absicht, so die gesamte Familie abschieben zu können.

Diese Vorgehensweise ist im höchsten Maße unüblich und rigoros und hat inzwischen bis auf Landesebene für Verwunderung und Ärger gesorgt. Die Trennung einer dreifachen Mutter von ihren Kindern entspricht in keinster Weise dem sonstigen Vorgehen von Behörden und hat weit über die Region hinaus sowohl im politischen Raum als auch in der Bevölkerung für Entsetzen, Empörung und Betroffenheit gesorgt.

Dieser unmenschliche Vorgang stellt eine tiefgreifende Zäsur da und wurde sowohl vom Landrat als auch von der Behörde für uns noch nicht ausreichend transparent gemacht und erklärt. Auch die Pressekonferenz am 14.02.2022 zeigte, dass sich die Behörde als „Vollstreckerbehörde“ versteht und ohne Selbstkritik auftritt. Die Frage nach dem „öffentlichen Interesse“ an dieser Abschiebung, wie sie juristisch formuliert wird, darf angezweifelt werden. Sowohl das Bündnis „Recht zu bleiben“, welches überparteiisch und breit gefächert ist, als auch die Petition1 zeigen, dass ein humanitäres Bleiberecht hier in Siegen-Wittgenstein von vielen Menschen gewünscht wird. Um einen Überblick über die Verantwortlichkeit, die Weisungskette und die zukünftige Ausrichtung der Behörde zu bekommen, bitten wir um die Beantwortung folgender Fragen:

Fragen:

1. Wer hat wann und aus welchem Grund die Entscheidung getroffen, der Empfehlung des

Petitionsausschusses NRW vom 14.4.21 bzgl. der Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht zu folgen? Wurden Vorgesetzte in diese Entscheidung eingebunden?

2. Wurden vor der Abschiebehaft andere Maßnahmen eingeleitet, um die „freiwillige“ Ausreise zu forcieren, wie etwa Kürzung der Sozialleistung?

3. Wer hat die Ingewahrsamnahme in den Räumlichkeiten der Behörde veranlasst? Wurde zuvor innerhalb der Behörde überlegt, ob dies in Anbetracht der Tatsache, dass Frau Muradi von ihren drei Kindern getrennt wird, verhältnismäßig ist?

4. Welche personellen Konsequenzen wird dieser Vorfall haben? Wie soll zukünftig Transparenz und Vertrauen hergestellt werden?

5. Ehrenamt, Teilhabemanagement und Geflüchtete brauchen Sicherheit und ein faires Miteinander mit der Behörde. Welche Maßnahmen sind angedacht, um einen wohlwollenden Umgang zu fördern und solche Vorfälle zukünftig auszuschließen?

6. Üblicherweise erteilt die Verwaltung auf Einzelfälle keine Antwort. Bei der Pressekonferenz wurde im Interesse der Öffentlichkeit jedoch die Akte Muradi quasi der Presse vorgelegt. Warum wurde jedoch nicht die Empfehlung des Petitionsausschusses vom April 2021 erwähnt, Herrn Muradi eine Ausbildung als Altenpfleger zu ermöglichen?

Wir bitten um zeitnahe Beantwortung unserer Anfrage und bedanken uns im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen

Ullrich-Eberhardt Georgi
Fraktionsvorsitzender

Ingo Langenbach
Fraktionsgeschäftsführer

 

1 Unsere Nachbarn bleiben hier! Solidarisch GEGEN eine Abschiebung von Karen Agayan und Elvin Muradi! - Online-Petition (openpetition.de)