PRIDE 2021 in Siegen

DIE LINKE. KV Siegen-Wittgenstein

English version below

Hallo, liebe Freund*innen, liebe Community und Allies!

Vielleicht erstmal kurz zu mir: Mein Name ist Roland, ich bin 23 Jahre alt. schwul und nicht-Binär. Ich bin seit einigen Jahren in der queeren Politik unterwegs und aktuell Kreissprecher*in der LINKEN in Siegen-Wittgenstein.

Ich hab mir lange Gedanken gemacht, wie ich meine Rede hier aufbaue und was da so reinkommt und bin zu dem Schluss gekommen, dass wir mit den schlechten Nachrichten anfangen:

  • Es gab 2019 mindestens 576 politisch motivierte Straftaten, 151 davon Gewalttaten.
  • Dagegen gab es 2020 mindestens 782 Straftaten von Hasskriminalität gegen LSBTI (Das ist ein Anstieg von 36%), darunter 154 Gewalttaten (144 Körperverletzungen). Erschreckend hierbei ist, dass 3 Schwulenfeindliche Morde nicht in dieser Statistik beachtet werden.

2020 war ich eine von diesen 144 verletzten Personen. Die Tat wurde zuerst als nicht "schwulenfeindlich" registriert, erst der Druck von Euch, hat die Polizei dazu bewegt, dies anders aufzunehmen. Ich kann also verstehen, wieso die Dunkelziffer um 80% bis 90% höher liegt: Wenn wir am Boden liegen und Bluten wird uns gar nicht erst Zugehört!

Wir müssen uns als Gesellschaft eingestehen: Ein Safe-Space für queere Menschen sieht anders aus und wird so sicherlich nicht ermöglicht. Zu groß ist die Angst vor weitere Anfeindungen der Täter*innen, ja sogar teilweise durch die Polizei oder das soziale Umfeld. Zudem ist das Vertrauen in die juristische Verfolgung gebrochen. Viele erwarten, dass das Verfahren nach wenigen Monaten eingestellt wird, oder die emotionale Mehrbelastung und Exposition vor Gericht zu deutlich schlimmeren Taten führen. Auch ich hab das erlebt: Bedingt durch meine offene Kommunikation mit der Gewalttat kamen Drohungen, Beleidigungen und Hetze um so stärker auf mich zurück. 

Konsequenz kann nur sein: Endlich queere Gewalttaten gesondert in Statistiken anführen, Sensibleren Umgang mit den Betroffenen durch geschultes Personal, wirklichen Schutz für Geschädigte und konsequenten Ausschluss für queer*feindliche Polizist*innen! Es kann nicht sein, dass Opfer von Gewalt in Angst leben müssen, während Täter*innen oftmals unbehelligt weitermachen.

Ach ja und bevor jetzt gesagt wird: "Schlimm, was der rechte Rand so anstellt" nur etwa ein viertel der Verbrechen gegen queere Menschen sind eindeutig als rechts definiert, etwa die Hälfte sind "nicht zuzuordnen". Damit ist klar, die oft so sehr gelobte "Bürgerliche Mitte" steht mindestens genauso tief im Sumpf der Hasskriminalität, wie der Rechte Rand. (Und die Präsenz der bürgerliche Mitte in Form der Parteien spricht denke ich mal für sich an dieser Stelle)

         

Doch nicht nur in strafrechtlich Relevanten Gebieten findet queerer Ausschluss und Benachteiligung statt. In vielerlei Hinsicht ist die medizinische Situation vieler queerer Menschen besorgniserregend: Nicht nur, dass etwa 25% aller trans* Menschen und etwa 40% aller nicht-Binären Menschen unter 1000€ im Monat zur Verfügung haben, sondern auch weil die Folgen gesellschaftlicher Diskriminierung gesundheitliche Folgen bedingt: Es ist nicht nur ein Hinweis, sondern der direkte Beweis, wie schädlich queer*feindlichkeit ist, wenn queere Jugendliche ein 4 bis 6 mal so hohes Suizidrisiko haben. Solche Zahlen fallen nicht vom Himmel, sie sind die Folge verfehlter Politik, Hass und Hetze in Schule, Familie und öffentlichen Medien, sie sind die Folge dieser Gesellschaft!

Zudem gaben 17% der FINTA*-Queers in Behandlung an, dass mindestens ein Mal ihre Identität oder Sexualität (Mit-)Ursache für ihre psychischen Leiden seien, ein ähnlicher Anteil gab an, dass bei der medizinischen Behandlung über ihre Identität oder Sexualität abfällig geredet wurde.

Ich glaube, dass ich nicht durch weitere Zahlen verdeutlichen muss, dass das Gesundheitswesen queere Menschen schlechter behandelt und die verantwortlichen diese Fakten getrost so stehen lassen.

   

Doch genug der schlechten Nachrichten, lasst uns schauen auf die wundervolle Geschichte der queeren Bewegung!

Beginnen wir 1969 in New York als zwei trans*Frauen und eine Lesbe, nebenbei erwähnt alle 3 PoC, gegen die Willkür der Polizei und ihrer Gewalt rebellierten, sich mit Flaschen und Ziegelsteinen wehrten und den Ersten Pride begingen: Sie nahmen sich zurück was eigentlich immer uns gehört hat: ein Platz in der Gesellschaft in der wir so schrill, bunt und verrückt sein dürfen, wie wir es uns wünschen! Ich danke Euch, Marsha, Sylvia und Stromé, ihr wart die Königinnen des Pride und die Initiatorinnen einer Revolte!

Schauen wir auch zurück auf die Situation in den 80er Jahren in Großbritannien, als Margret "Ding-Dong The Witch is Dead" Thatcher in einer neoliberalen Aktion die Minen in Schottland und Wales mit Hungerlöhnen absterben lassen wollte. Unter Mark Ashton, einem jungen Kommunisten, gründete sich die LGSM (Lesbians and Gays Support the Miners) in London und sammelte weit über 22.000 Pfund für die Minenarbeiter*innen und ihre Familien. Nur durch diese verbindende Solidarität der unterdrückten Klasse, war es möglich den Streik fast ein Jahr am laufen zu halten und so zumindest die Hoffnung auf eine gerechtere Welt zu ermöglichen. Diesen Funken der Solidarität zahlten die Minenarbeiter*innen auf dem Pride 1985 zurück, gemeinsam führten sie diese Demonstration an und setzten durch, dass queere Rechte ins Parteiprogramm der Labour Party aufgenommen wurden.

Doch auch wenn wir uns an die Vergangenheit erinnern, erinnern wir an die Teile unserer Community, die wir in den dunklen Jahren der AIDS Krise verloren haben. Ihr wart die Opfer einer widerlichen Gesundheitspolitik und unsere Familie. Wir werden Euch niemals vergessen.  

Doch schauen wir uns die Situation heute an, so fällt uns auf, dass wir nicht wirklich eine größere Sichtbarkeit in der Gesellschaft erreicht haben, wohl aber, wie zuletzt bei der EM, als Marketing-Gag gerne benutzt werden, um zu zeigen wie ach-so-toll wir in Deutschland mit queeren Menschen umgehen. Ich bin keine Flagge, die ihr mal eben schwenken könnt, um Euren Nationalismus abzufeiern! Ich bin ich und nicht Eure Marionette oder Symbolik und schon gar nicht bin ich nicht die letzten Jahre aktiv gewesen, um nun als Steigbügelhalter euer imperialistischen Politik zu sein! 

Die Realität queere Menschen sieht, wie eben erwähnt, ganz anders aus, als so oft verschönert Dargestellt. Ich frage mich also, wenn CDU und CSU mit Regenbögen posieren, queere Menschen so oft locken mit ihren Aussagen und Zusprüchen, warum stimmt diese Union 2017 nicht geschlossen für die Ehe für Alle, Warum stimmt die Union gegen die Abschaffung des menschenfeindlichen TSGs und wieso schreibt der Bundestagsabgeordnete der CDU für Siegen-Wittgenstein per Mail, dass seiner Meinung nach die Ehe für Alle auch bedeuten müsste, die Vielehe oder Tierehe zu legalisieren?! Geht's noch? 

Ich bin einfach so unendlich wütend über die Scheinheiligkeit an so vielen Stellen, die Union ist hierbei nur die kleine und traurige Spitze des Eisbergs! 

Beispielsweise auch die zahllosen Unternehmen, die sich im Juni mit Regenbogen Logos schmücken, zahlen oftmals queer*feindliche Politiker*innen und ihre Kampagnen. Wieso? Weil so dieses System läuft: eine Hand wäscht die andere... Und während die Feinde der Community ihren Hass an uns auslassen, weil die letzte Cornflakespackung in bunt verkauft wird, Sprechen sich Vertreter*innen der Unternehmen und reaktionären Parteien zusammen, um mehr Rechte und Möglichkeiten für das Unternehmen durchzuboxen. Es ist eine Tragödie: Das Symbol unserer Selbstermächtigung ist mittlerweile des Spielball des Kapitalismus. Ich weiß nicht wie es Euch damit geht, aber ich werde das nicht akzeptieren und klar dagegen stehen!

Sicherlich ist es nicht einfach zu sagen: Ich stehe auf und Kämpfe, gegen alle Menschenfeinde und das unterdrückerische System. Doch leichter ist es gemeinsam! Schaut um euch herum! Wir sind eine Masse, wir sind eine Community, es gibt nichts, was wir nicht erreichen können, solange wir durch Solidarität verbunden sind. Also Vernetzt euch, sprecht auch gerne mich an, um einige Hinweise zu bekommen, wo ihr mitmachen könnt. Denn es ist ganz klar: Nur zusammen und durch eine gemeinsame Organisation können wir uns selbst befreien!


 

Hello, dear friends, dear community and allies!

Maybe a short introduction about me: My name is Roland, I am 23 years old, gay and non-binary. I've been involved in queer politics for a few years and I'm currently the district spokesperson for the party DIE LINKE (eng. THE LEFT) in Siegen-Wittgenstein.

I've been thinking for a long time about how I'm going to structure my speech and what I'm going to put in it, and I've come to the conclusion that we'll start with the bad news:

There were at least 576 politically motivated crimes in 2019, 151 of these were violent.

In contrast, in 2020 there were at least 782 hate crime offences against LGBTI people (That's a 36% increase), including 154 violent crimes. Shockingly here, 3 anti-gay murders are not noted in these statistics.

In 2020, I was one of those 144 people injured. The crime was first registered as not "homophobic". Only pressure from you made the police change their recording. So I can understand why the number of unreported cases is 80-90% higher: If we are lying on the ground and bleeding, we are not being listened to!

We have to admit to ourselves as a society: A safe space for queer people would look different and will certainly not be made possible in this way. The fear of further hostility from the attackers, even from the police or the social environment, is too great. In addition, the trust in legal prosecution is broken. Many expect that the case will be dropped after a few months, or that the additional emotional stress and exposure in court will lead to much worse offences. I have also experienced this: Due to my open dialogue about the violent act, I received threats, insults and incitement more often than before. 

The consequence can only be: To finally list queer acts of violence separately in the statistics, to deal more sensitively with those affected by educated staff, real protection for victims and consistent exclusion for queer-hostile police officers! It's not acceptable that victims of violence have to live in fear while criminals often go on unchallenged.

Oh, and before people say: "It's bad what the right-wing extremists do", only about a quarter of the crimes against queer people are clearly defined as right-wing, about half are "unclassifiable". This clearly shows that the often praised "political centre" is at least as deep in the swamp of hate crime as the right-wing extremists.

But it is not only within areas relevant to lawsuits that queer exclusion and disadvantage takes place. In many ways, the medical situation of many queer people is worrying: Not only because about 25% of all trans* people and about 40% of all non-binary people have less than 1000€ per month at their disposal, but also because the consequences of societal discrimination cause health consequences: It is not only an indication, but direct proof of how harmful queer* hostility is, when queer youth have a 4 to 6 times higher risk of suicide. Such numbers do not suddenly appear, they are the result of failed policies, hatred and agitation in schools, families and public media. It's the result of this society!

Furthermore, 17% of FINTA* queers in mental health treatment reported that at least once their identity or sexuality was a (contributing) cause of their mental distress, a similar proportion reported that their identity or sexuality was talked about in a derogatory way during medical treatment.

I don't think I need to illustrate with more numbers that the health system treats queer people worse and those in charge can simply ignore these facts.

   

But enough of the bad news and let's look at the wonderful history of the queer movement!

Let's start in 1969 in New York when two trans* women and a lesbian, by the way all three of them PoC, rebelled against the arbitrary police and their violence, fought back with bottles and bricks and started the first Pride: They took back what has always belonged to us: a place in society where we can be as loud, colourful and queer as we want to be! Thank you Marsha, Sylvia and Stromé, you were the Queens of Pride and the initiators of a revolt!

Let's also look back to the situation in the 1980s in Britain when Margret "Ding-Dong The Witch is Dead" Thatcher wanted to kill off the mines in Scotland and Wales with poverty wages in a neoliberal action. Under Mark Ashton, a young communist, the LGSM (Lesbians and Gays Support the Miners) formed in London and raised well over £22,000 for the miners and their families. It was only through this united solidarity of the oppressed class that it was possible to keep the strike going for almost a year and at least give some hope for a better world. This spark of solidarity was repaid by the miners at London Pride 1985, who collectively led the demonstration and got queer rights included in the Labour Party manifesto.

But even as we remember the past, we remember the parts of our community that we lost in the dark years of the HIV crisis. You were the victims of a disgusting health policy and our family. We will never forget you. But if we look at the situation today, we notice that we haven't really achieved greater visibility in society, but that we are used as a marketing gag to show how oh-so-great we treat queer people in Germany, as was the case at the European Championship. I am not a flag that you can wave to celebrate your nationalism! I am myself and not your puppet or symbolism and certainly I have not been active for the last years to now be a figurehead for your imperialist politics! 

The reality of queer people, as I just mentioned, looks very different from the way it is so often embellished. So I ask myself, if the CDU and CSU pose with rainbows and so often lure queer people with their statements and promises, why doesn't this Union unitedly vote for marriage for all in 2017, why does this Union vote against the abolition of the anti-human TSG and why does the CDU member of the Bundestag for Siegen-Wittgenstein write by email that in his opinion marriage for all should also mean to legalise polygamy or animal marriage?! What the heck?

I am just so incredibly angry about the hypocrisy in so many places, the CDU is only the small and sad tip of the iceberg here! 

For example, the countless companies that adorn themselves with rainbow logos in June also often pay queer*phobic politicians and their campaigns. Why? Because that's how this system works: one hand washes the other... And while the enemies of the community are taking out their hate on us because the last box of cereal is sold in rainbow colours, representatives of the corporations and reactionary parties are talking together in order to push through more rights and opportunities for the corporations. It is a tragedy: the symbol of our self-empowerment has become the toy of capitalism. I don't know about you, but I will not accept this and will stand clearly against it!

Of course it is not easy to say: I stand up and fight, against all enemies of humanity and the oppressive system. But it is easier together! Look around you! We are one mass, we are one community, there is nothing we cannot achieve as long as we are connected through solidarity. So network, feel free to contact me to get some advice on where you can join in. Because it's very clear: only together and through a common organisation can we free ourselves!