Zumutbare Mitwirkungspflicht Militärdienst?

DIE LINKE. Kreistagsfraktion Siegen-Wittgenstein

Sehr geehrter Herr Landrat Müller,

die LINKE-Fraktion im Kreistag Siegen-Wittgenstein bittet um Beantwortung der nachstehenden Fragen zum Thema „Zumutbare Mitwirkungspflicht Militärdienst?“

Sachstand:

In den letzten Monaten wurden im Kreis Siegen-Wittgenstein gleich zwei Entscheidungen der Kreisausländerbehörde bekannt, nach denen junge Familienväter als „zumutbare Mitwirkungspflicht zur Identitätsklärung“ einen Wehrdienst in ihrem ursprünglichen Heimatland auferlegt bekommen haben. Dies waren die Länder Aserbaidschan und Armenien. Zu Aserbaidschan merkt Amnesty International an, dass das Militär in der Region Bergkarabach Kriegsverbrechen begangen hat. Weiterhin wird über Angriffe auf die Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, über Schikane gegen die Opposition (u. a. Inhaftierungen), Folter und Misshandlung berichtet. Der Bericht über Armenien klingt ähnlich:

Kriegsverbrechen in der Region Bergkarabach und eingeschränkte Meinungs- und Versammlungsfreiheit. In Armenien kann das Verweigern des Militärdienstes mit Geld- oder Besserungshaftstrafe geahndet werden und im Jahr 2020 wurde die Haftstrafe durch das Parlament drastisch erhöht. Für wehrdienstfähige Männer besteht in Armenien pauschal ein Ausreiseverbot seit der Verhängung des Kriegsrecht am 27.9.2020. In Aserbaidschan wurde ebenso das Kriegsrecht ausgerufen. Aktuell besteht zwar eine Waffenruhe, aber kein Friedensabkommen. Es gibt immer wieder bewaffnete Konflikte mit Toten an der Grenze. Eine Rückreise in das Heimatland ist verbunden mit ungewissen, womöglich lebensbedrohlichen Folgen für die Männer und demzufolge nicht zumutbar.

Diese Vorgänge werfen für uns folgende Fragen auf:

1. Wie vielen Männern im Kreisgebiet Siegen-Wittgenstein wurde eine Ableistung der Wehrpflicht im Heimatland als zumutbare Mitwirkungspflicht auferlegt? Bitte geben sie einen Rückblick über die letzten 5 Jahre, inklusive einer Auflistung der entsprechenden Länder.

2. Wie viele Männer sind dem nachgekommen, wieder nach Deutschland zurückgekehrt und in wie vielen Fällen wurde dadurch der Pass beschafft?

3. Wer in der Kreisbehörde entscheidet die Zumutbarkeit eines Wehrdienstes? Nach welchen Kriterien gilt Militärdienst als zumutbar bzw. nicht zumutbar?

4. Warum wird nicht aus humanitären Gründen auf eine solche gefährliche Mitwirkung verzichtet? Eine geklärte Identität setzt keine Passpflicht voraus (Erlass des MKFFI NRW Nr. 60c.2.3.2 AH NRW, S.20). Weiterhin weist der Erlass explizit daraufhin, dass der Nationalpass keine Erteilungsvoraussetzung für eine Ausbildungsduldung ist. Die Identität kann auch mit Hilfe der übrigen unter Punkt 60c.2.3.2 aufgeführten Unterlagen nachgewiesen werden (z. B. Führerschein, Dienstausweis, Heiratsurkunde, Geburtsurkunde, Schulzeugnisse, Schulbescheinigung, andere amtliche Dokumente aus dem Herkunftsland)

5. Wie beurteilt die Kreisausländerbehörde ihre zukünftige, integrative Rolle im KIM im Hinblick auf solche Entscheidungen? Wird die Behörde in solchen Fällen integrativ und wohlwollend entscheiden, um die Case-Managerin/den Case-Manager vor Ort zu unterstützen?

6. Bei den bekannt gewordenen Männern handelt es sich jeweils um Väter ein oder mehrerer Kinder. Wie kann man in diesem Kontext den im GG verankerten „besonderen Schutz der Familie“ sehen?

Wir bitten um zeitnahe Beantwortung unserer Anfrage und bedanken uns im Voraus.