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Aktuelles aus dem Kreisverband

Haushaltsrede zum Haushalt 2011 der Stadt Netphen

Rat Netphen, Ekkard Büdenbender

Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger der Stadt Netphen
Sehr geehrter Herr Bürgermeister
Sehr geehrte Damen und Herren des Rates, der Verwaltung und der Presse


wer den Haushaltsentwurf und die darin enthaltenen Prognosen für die nächsten
Jahre liest, dürfte eins begreifen: Netphen ist pleite! Und was viel entscheidender
sein dürfte, Netphen hat kaum noch Möglichkeiten, sich selber wieder in den Bereich
der schwarzen Zahlen zu bringen, sondern muss hoffen, dass sich irgendwie die
allgemeine Lage zugunsten der Kommunen verändert. Denn unsere Probleme sind
nicht hier in Netphen entstanden, sondern sind Ergebnis einer kommunalfeindlichen
Landes - und Bundespolitik, die entgegen allen Gesetzen die Kommunen zwar
reichlich mit Aufgaben, aber viel zu geringfügig mit den notwendigen finanziellen
Mitteln ausgestattet hat. Dies wird seit Jahren zwar kritisiert, aber grundlegende
Änderungen lassen nach wie vor auf sich warten. Auch hier im Rat drückt man sich
vor der Verantwortung, handelt im Sinne der jeweiligen Parteioberen in Land und
Bund, als hätte man der Partei und nicht der Stadt einen Eid geleistet. Somit liegt die
Ursache und auch die Lösung für die Haushaltsmisere nicht im wirtschaftlichen,
sondern im politischen Bereich.

Deutschland gehört seit Jahren zu den exportstärksten Ländern der Welt, die großen
Konzerne streichen kurz nach der großen Krise schon wieder Milliardengewinne ein,
die Anzahl an privaten Millionären und Milliardären steigt jedes Jahr an. Geld ist also
im Lande. Doch unser Wirtschaftssystem beruht nun einmal nicht auf fairem
Miteinander, sondern ist ein System von Gewinnern und Verlierern. Wenn
Deutschland jedes Jahr einen Außenhandelsüberschuss aufweist, bedeutet das
gleichzeitig , dass in anderen Ländern Verluste verbucht werden, wenn unsere
Konzerne Gewinne einfahren, dann hat sie irgend jemand mit einem Minus bezahlt.
Wenn es immer mehr Reiche in Deutschland gibt, so folgt daraus logischerweise
auch, dass anderen immer mehr Geld fehlt.

Vor noch nicht sehr langer Zeit, fühlten wir uns hier sehr sicher, denn die Verlierer
waren weitestgehend die Anderen, sog. 3.Welt-Länder, die uns die Rohstoffe
lieferten, die Gastarbeiter, die ja froh sein durften, überhaupt in Deutschland vom
Wohlstand träumen zu können, eine überschaubare Unterschicht von Arbeitslosen,
Witwen, Alleinerziehenden, die klein genug war, um vom Rest der Gesellschaft
ignoriert zu werden.
Doch nach und nach wurden die Kreise um die Gewinner immer enger gezogen,
zuerst kamen die ungelernten Arbeiter immer schlechter über die Runden,
mittlerweile können immer weniger Facharbeiter und Angestellte den
Lebensstandard halten, den die Medien vorgeben, und der vor kurzem auch noch
möglich war. Zuzahlungen und Gebühren stiegen an, Leistungen wurden gekürzt,
spätestens Hartz IV machte dann vielen deutlich, was es heißt, ein Verlierer im
System zu sein, nach 30 Jahren Arbeit wieder auf Null zu stehen, Stück für Stück
nach unten durchzusinken, mehr und mehr nur noch auf Hilfe von außerhalb
angewiesen zu sein und das meistens ohne eigenes Verschulden, sondern vielmehr
weil der Arbeitgeber seine Gewinne erhöhen wollte, ins Ausland abzog, oder seine
Belegschaft trickreich durch Leiharbeiter ersetzte.

Auch international änderten sich die Bedingungen, mit Irland, Griechenland, Spanien
und Portugal wurden Staaten zu Objekten von Spekulanten degradiert, selbst auf
Lebensmittelpreise wird mittlerweile gesetzt. Um Profit einzufahren, wird
dementsprechend auf eine Verknappung der Lebensmittel hingearbeitet. Reichtum
durch den Hunger Anderer kann man an deutschen Banken heutzutage erwerben.

Und alle Opfer dieses Systems verbindet eines: Das System, egal ob in Form von
IWF, Weltbank, EU oder Deutschland gewährt nur dann Hilfe, wenn ein brutaler
Sparkurs eingehalten wird, wenn Löhne gesenkt, soziale Standards aufgeweicht und
Öffentliches privatisiert wird, wenn die eigene Handlungsfreiheit aufgegeben, oder
zumindest stark eingeschränkt wird, wenn man sich den Kräften des Marktes noch
weiter unterwirft.

Und genau dieses soll nun auch mit den Kommunen geschehen, genau dieses
sollen wir hier einfach abnicken.
In der Betriebswirtschaft lernt man, gerade in den Krisen zu investieren, zu
modernisieren, nach vorne zu blicken. Uns will man die Möglichkeit nehmen,
eigenständig zu gestalten, lediglich die Haushaltslöcher dürfen wir noch selber
verteilen.

Wir befinden uns also an dem Punkt, an dem der Hartz IV Empfänger entscheiden
darf, ob er zuerst das Auto abschafft, oder erst Telefon und Strom abmeldet,
letztenendes kommt es aufs Selbe hinaus, verloren hat er längst, und am
gesellschaftlichen Leben nimmt er ohnehin schon lange nicht mehr teil.
Und dabei machen wir hier dem Unwort des letzten Jahres alle Ehre: „Alternativlos“.

Als wäre dieser Weg in die Unmündigkeit alternativlos, als bliebe nur dieser Weg.
Dabei schreibt die Landesverfassung eindeutig vor, dass den Kommunen zur
Bewältigung ihrer Aufgaben ausreichende Mittel zu Verfügung gestellt werden
müssen, wir müssen sie nur einfordern. Man muss doch wahrlich kein Linker sein,
um ein System abzulehnen, das die eigene Kommune an den Rand des Ruins treibt,
wenn nicht darüber hinaus, es reicht doch, denkender Bürger dieser Stadt zu sein.
Der Begriff von der Verteidigung unserer Freiheit am Hindukusch wird endgültig zur
Farce, wenn wir gleichzeitig unsere Freiheit hier einfach aufgeben. Wenn wir hier
keine Verteidigungslinien aufbauen, wird aus dem System der Gewinner und
Verlierer schließlich ein System von Siegern und Besiegten.

Meine Damen und Herren, die Linke kann diesem Haushalt nicht zustimmen, und ich
bin sehr gespannt, wie sich meine Ratskolleginnen und -kollegen verhalten, denn
entweder stimmen sie zu, dass der Fehler in Düsseldorf und Berlin behoben werden
muss, oder sie beschuldigen sich selbst, in den letzten Jahren die Stadt
heruntergewirtschaftet zu haben.

Ich bin gespannt auf ihre Entscheidung.

Vielen Dank