Pressemitteilung: Gedanken zum Schulstreik

KV Siegen-Wittgenstein, Ekkard Büdenbender

In der Schule soll unsere Jugend auf ein selbstbestimmtes, soziales und verantwortungsbewusstes Leben vorbereitet werden. Dort sollen sie die Fähigkeit erwerben, Situationen und Sachverhalte zu analysieren, zu bewerten, Prognosen zu erstellen, Probleme zu erkennen und gemeinsam an unserer Zukunft zu arbeiten. Dass dieses an unseren Schulen gelingt, haben hunderte SchülerInnen am Freitag in beeindruckender Weise bewiesen.

Immer wieder wird der Jugend nachgesagt, sie sei faul, verwöhnt und interessiere sich nicht für die Zukunft. Immer wieder wird die heranwachsende Generation von den älteren abgeschrieben und mit ihr gleich die gesamte Gesellschaft. Und immer wieder steht die Jugend plötzlich auf und hält ihren Kritikern den Spiegel vor, zeigt, dass sie sowohl zukunftsorientiert als auch zukunftsfähig ist.

Europaweit gehen die Jugendlichen auf die Straße, weil sie das Vertrauen in die älteren Generationen verloren haben. Sie werfen ihnen vor, dass sie ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Sie erklären ihre Angst, dass der vorherrschende Lebensstil und die Ignoranz der Politik ihnen die Zukunft nehmen.

Wer sich in der Welt umsieht, muss erkennen, dass sie wohl Recht haben. Wir verschwenden nicht nur unsere Ressourcen, sondern ihre gleich mit. Wir überlassen ihnen dafür abgeholzte Urwälder, verdreckte Meere, verseuchte, ausgelaugte Böden und einen sich immer deutlicher abzeichnenden Klimawandel. Und durch nichts lassen wir erkennen, dass wir unser Verhalten ändern werden. Gegen jede Vernunft halten wir den Verlust von Arbeitsplätzen im Braunkohletagebau und in der Plastiktütenindustrie für existenzbedrohender als deren Auswirkungen auf Klima und Meere. Dabei haben wir auch im Siegerland inzwischen erleben können, dass unsere Wiesen verdorren können, Bauern im Sommer ihr Winterfutter verfüttern müssen und an Notschlachtungen denken.

Sind wir nicht einmal dann bereit, unseren Kurs zu überdenken, unser Tempo zu verlangsamen, wenn sich uns unsere Kinder warnend und bittend in den Weg stellen? Wollen wir ihnen zu ihrer Angst um ihre Zukunft auch noch mit Repressalien drohen, um ihre Kritik zu unterdrücken? Wollen wir sie als unsere Gegner betrachten, die wir in ihre Schranken verweisen und klein kriegen müssen? Einem Ministerpräsidenten, der so etwas auch nur andeutet, sprechen wir die Fähigkeit ab, ein Land zu führen.

Was hindert uns daran, uns mit den Forderungen der Jugend auseinander zu setzen? Können wir nicht einmal unsere festgefahrenen Spuren und uns selbst überdenken? Können wir nicht einmal kurz innehalten, um über unsere gemeinsamen Ziele und Vorstellungen zu reden, überlegen, ob wir an unseren früheren Zielen schon vor einiger Zeit einfach vorbeigefahren sind? Was ist aus uns geworden, dass wir zulassen, dass man unsere Kinder in einer solchen Situation als Schulschwänzer beleidigt. Wer letzten Freitag am Scheinerplatz war und erlebt hat, wie sich diese jungen Menschen selbstkritisch hinterfragt haben, eine Atmosphäre geschaffen haben, in der niemand Angst hatte, das Mikrophon in die Hand zu nehmen und frei zu sprechen, wie sie eine Gemeinschaft heraufbeschworen haben, aus der wohl alle gestärkt herausgegangen sind, gestärkt um ihre Zukunft gemeinsam in die Hand zu nehmen, wer dies beobachtet hat, weiß, das waren keine Schwänzer. Wenn die Eltern und LehrerInnen ihre SchülerInnen so erlebt hätten, wären sie einfach nur stolz auf sie gewesen. Vielleicht wären sie auch ein bisschen auf sich selbst stolz gewesen, denn schließlich haben auch sie diese jungen Menschen ein Stück auf dem Weg begleitet, der sie stark genug gemacht, um ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen.

Unsere Gesellschaft sollte dies als Weckruf begreifen, als Chance. Wir sollten den Freitag nicht als einen Tag betrachten, an dem die SchülerInnen ihre Schule bestreiken, sondern als einen Tag, an dem wir gemeinsam wieder zur Schule gehen, als einen Tag, an dem wir alle zusammen lernen ein selbstbestimmtes, soziales und verantwortungsvolles Leben zu führen. Wir sollten endlich aus unserem Hamsterrad heraustreten, unsere Kinder nicht allein lassen und über Alternativen reden, zumindest freitags für 4 Stunden.

Kreisverband Die Linke Siegen-Wittgenstein, Siegen, Kölner Str. 2