Antrag: Kommunales Integrationsmanagement

DIE LINKE. Kreistagsfraktion Siegen-Wittgenstein

Antrag zur Sache gemäß § 8, Abs. 1 GO KT zur Beratung im Kreisausschuss und Kreistag am 10.06.2022

Sehr geehrter Herr Landrat Müller,

die Fraktion DIE LINKE im Kreistag Siegen-Wittgenstein bittet Sie den folgenden Antrag in die Tagesordnung des Kreisausschusses und des Kreistages am 10.06.2022 aufzunehmen:

Beschlussvorschlag:

Der Kreisausschuss empfiehlt, der Kreistag beschließt, dass sich die Verwaltung des Kreises Siegen-Wittgenstein verpflichtend dazu erklärt, ab sofort die freien Träger in den konkreten Aufbau- und Planungsprozess des Kommunalen Integrationsmanagement (im Folgenden kurz: KIM) miteinzubeziehen und Stellen für das Case Management an freien Träger zu vergeben, die bereits in der Migrationsberatung tätig sind.

Sachdarstellung:

Am 25. Juni 2021 tagte der Kreistag, u. a. zur Einrichtung und Umsetzung des Kommunalen Integrationsmanagements im Kreis Siegen-Wittgenstein. Bereits in der Sitzung des Ausschusses für Schule, Weiterbildung, Sport und Integration am 15.06.2021 hat die Fraktion DIE LINKE im Kreis Siegen-Wittgenstein ihre Bedenken und Kritik zum „KIM“ und mögliche negative Folgen für die Betroffenen, die Akteure aus den Wohlfahrtsverbänden und ehrenamtliche Integrationslotsen und Rechtsbeistände, geäußert (s. Drucksache 199/2021)1.  Schon damals sahen wir den vorgelegten Entwurf des Landes NRW zum Kommunalen Integrationsmanagement, die laut Förderskizze vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen die „(…) rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit zur Integration aller eingewanderten Menschen in NRW fördern soll, aus den o. g. Gründen äußerst kritisch.2

Aus unserer und auch aus der Sicht vieler freier Träger besteht eine reale Gefahr, dass mit der Implementierung des KIMs in der Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein

1. Akteure, wie die Wohlfahrtsverbände, freien Träger, ehrenamtlichen Integrationslotsen und Rechtsbeistände in ihrer Arbeit, ihrem Mitspracherecht und ihren Mitgestaltungsmöglichkeiten zum Wohle Betroffener massiv behindert und eingeschränkt werden3,

2. die Beratung und Entscheidung über Einzelfälle mit diesem Konzept weiter „bürokratisiert“ und für die Öffentlichkeit intransparenter gemacht wird,

3. die Gefahr besteht, dass man nur noch nach „Qualitätsstandards“ und nach Rahmenkatalogen, wie im KIM-Konzept zu lesen ist, Einzelfälle beurteilt und sich die Entscheidungsbefugnis(se) alleine bei der Ausländerbehörde des Kreises konzentrieren soll. Darin sehen wir auch eine real-existierende Gefahr, dass man Entscheidungen unter Umständen nach „Abschiebequoten“ treffen könnte.

Insgesamt würde aus unserer Sicht ein Mitspracherecht anderer, v. a. sozialer Akteure massiv eingeschränkt werden. So werden Fakten geschaffen, liegt dann doch die Entscheidungsbefugnis in „Einzelfallentscheidungen“ alleine bei der Kreisausländerbehörde, und

4. auf diese Weise viele bürokratische Prozesse der Öffentlichkeit vorenthalten bzw. nur verzerrt und selektiv an die Öffentlichkeit weitergegeben werden könnten. Schon im Ausschuss für Schule, Weiterbildung, Sport und Integration am 15.06.2021 haben wir nachgefragt, ob die Wohlfahrtsverbände im Kreis Siegen-Wittgenstein in die Planungen eingebunden werden würden und wenn ja, ab welchem Zeitpunkt und wie sähe das konkret aus. Der damalige zuständige Dezernent Arno Wied betonte in der Sitzung, „(…) dass es nicht die Absicht sei, ehrenamtliche Helfer zu schwächen oder deren Arbeit abzuwerten. Das Kommunale Integrationsmanagement soll eine rechtskreisübergreifende Hilfe für geflüchtete Menschen darstellen. Diese Hilfe soll schnellstmöglich greifen, egal in welchem Rechtskreis (AsylbLG, SGB II o.ä.) sich die geflüchtete Person befindet. Es wird an einer verbesserten Kommunikation zwischen den Akteuren gearbeitet. Herr Wied geht davon aus, dass zeitnah nach dem Kreistagsbeschluss die weitere Ausgestaltung von KIM mit allen Akteuren in der Integrationsarbeit abgestimmt und vereinbart wird und damit gute Grundlagen geschaffen werden, um die gemeinschaftlichen Ziele zu erreichen. Es stehe eine Stärkung der Hilfeangebote [sic] an und eine weitere Vernetzung der Kräfte vor Ort sei in Planung. Herr Wied bestätigt, dass alle Beteiligten mit einbezogen werden müssen. Es bestehe hierbei Ausgestaltungspotenzial. (…).“4

Daraufhin haben wir im Kreistag im Juni 2021 deutlich gemacht, dass es ein großer Fehler ist, die Wohlfahrtsverbände bei der Ausgestaltung des Kommunalen Integrationsmanagements in unserem Kreis nicht mit in die Planungen einbezogen zu haben. Wir befürchten und haben dies auch kritisch angemerkt, dass die Wohlfahrtsverbände, die über viele Jahrzehnte enorm wichtige Arbeit im Bereich der Integrationsarbeit geleistet haben, nicht in die Planung und Ausgestaltung des KIMs einbezogen werden würden.5

Nach erneuten Gesprächen mit Vertretern der Wohlfahrtsverbände sehen wir uns in unserer Annahme leider bestätigt. Zwar gibt es Informationen zum Sachstand, wonach die sog. „Case Manager“ von den Kommunen eingesetzt werden oder die Aufgaben von den Kommunen an freie Träger vergeben werden können. Bisher wurden aber von der Kreisverwaltung noch keine Gespräche mit Vertretern der freien Träger geführt – warum nicht?

Der Kreis macht es sich unseres Erachtens zu einfach, in dem er die Entscheidung der Kommune überlässt, diese Aufgaben selbst zu übernehmen oder an freie Träger abzutreten.

Hierbei handelt es sich aber um gemeinnützige Träger. Hier muss ein transparentes Verfahren mit einem Interessenbekundungsverfahren gewählt werden, wenn mehrere Träger, z. B. aus Siegen oder Kreuztal die Aufgabe übernehmen wollen.

Schließlich bleiben aus unserer Sicht noch zu viele Fragen offen, wie z. B. die Folgenden:

● Die Frage der Unabhängigkeit in der Fallbeurteilung und nach welchen Kriterien überhaupt Entscheidungen getroffenen werden

● Die Frage nach Doppelstrukturen

● Die Frage nach anwaltschaftlichen Funktionen

● Die Frage nach der Kommunikation zum Sachstand mit den Fraktionen im Kreistag Siegen-Wittgenstein

 

Mit freundlichen Grüßen

Ullrich-Eberhardt Georgi
Fraktionsvorsitzender

Ingo Langenbach
Fraktionsgeschäftsführer

 

 

1 Öffentliche Niederschrift 15.06.2021 Ausschuss für Schule, Weiterbildung, Sport und Integration (kdz-ws.net) (abgerufen am 21.05.2022)

2 Kommunales Integrationsmanagement – KIM im Kreis Siegen-Wittgenstein. Förderskizze zur Einrichtung und zum Betrieb. Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, S. 2

3 Öffentliche Niederschrift 15.06.2021 Ausschuss für Schule, Weiterbildung, Sport und Integration (kdz-ws.net) (abgerufen am 21.05.2022)

4 Öffentliche Niederschrift 15.06.2021 Ausschuss für Schule, Weiterbildung, Sport und Integration (kdz-ws.net) (abgerufen am 21.05.2022)

5 Stellungnahme: Konzept „Kommunales Integrationsmanagement“ (kurz: KIM): DIE LINKE. Kreisverband Siegen-Wittgenstein (die-linke-siegen-wittgenstein.de) (abgerufen am 21.05.2022)