Antrag „Ergänzender kommunaler Rettungsschirm zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie“

Kreistag, Ullrich Georgi

Sehr geehrter Herr Landrat,

die Fraktion DIE LINKE im Kreistag Siegen-Wittgenstein stellt folgenden Antrag an den Kreistag bzw. an den Kreisausschuss, über den im Rahmen der nächsten Sitzungen zu beschließen ist.

Mit diesem Antrag macht sich die Linksfraktion Forderungen eines breiten Bündnisses aus Kirchen, Sozialverbänden, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Institutionen zu eigen.

Mit freundlichen Grüßen

Ullrich Georgi
Fraktionsvorsitzender

Antrag:

Punkt 1
Alle (noch bestehenden) Sanktionen, Rückforderungen und Aufrechnungen (dies gilt auch für Kautionen) von Leistungsbeziehenden nach dem SGB II, SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz, Wohngeldgesetz, Kinderzuschlag u.ä. sind bis auf Weiteres auszusetzen (im Sinne einer Stundung), um die finanzielle Lage der Leistungsberechtigte zu entspannen. 

Punkt 2
Alle nicht als angemessenen geltenden Kosten zur Unterkunft (KdU), die derzeit über den Regelsatz finanziert werden müssen, werden mit sofortiger Wirkung für die Dauer der derzeitigen Sondersituation („Corona-Krise“) übernommen. Bei in dieser Zeit erforderlichen Umzügen von Leistungsbeziehenden werden ebenfalls die jetzt geltenden Angemessenheitsgrenzen sehr großzügig gehandhabt.

Punkt 3
3.1
Angesichts der häufig sehr beengten Wohnverhältnisse besteht in der jetzigen Zeit der Pandemie die Gefahr einer höheren Zahl physischer und psychischer (auch sexueller) Gewalttaten insbesondere gegen Frauen und Kinder. Hierfür müssen Vorkehrungen getroffen werden, um bei Bedarf zum Beispiel in den derzeit nicht genutzten Hotels zusätzliche Kapazitäten mit entsprechender sozialer Begleitung von bestehenden und zuständigen Beratungsstellen zur Verfügung zu stellen.

3.2
Angesichts der häufig sehr beengten Wohnverhältnisse besteht in der jetzigen Zeit der Pandemie die Gefahr einer höheren Zahl psychischer Erkrankungen. Hierfür müssen Vorkehrungen getroffen werden, um bei Bedarf zum Beispiel psychisch-soziale Begleitung/Betreuung von bestehenden und zuständigen Beratungsstellen in einem ausreichenden Kontingent zur Verfügung stellen zu können.

Punkt 4
Der Kreis Siegen-Wittgenstein und das Jobcenter sollen alle Möglichkeiten prüfen, ob pauschal Darlehen an Leistungsberechtigte wegen der besonderen Härtesituation auf Grund der Covid-19-Pandemie (nach Härtefall-Regelung) gewährt werden können, die dann, wenn nötig, z.B. gemäß § 44 SGB II erlassen werden (können). Eine solche Härtesituation ist durch die Pandemie mit ihren Folgen gegeben.
Auch sollte die großzügige Anwendung des § 21, Abs. 6 SGB II (Mehrbedarfe) wegen dieser Sondersituation genutzt werden können. Nach SGB XII können z.B. die Möglichkeiten des § 27a, Abs. 4 genutzt werden (abweichende Regelsatzfestsetzung). Dies gilt insbesondere für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene und deren Familien wegen des Wegfalls der kontinuierlichen Essensversorgung der jungen Menschen in KiTas, OGSen und Schulen.

Punkt 5
Dem Kreis Siegen-Wittgenstein wird dringlichst empfohlen, wohlwollend zu prüfen, ob die Teilhabeleistungen des Bildungs- und Teilhabe-Pakets, das derzeit nicht genutzt werden kann, den Leistungsberechtigten bis auf Weiteres unbürokratisch und schnell ausgezahlt werden kann, damit sie diese für die aktuellen Bedarfe des täglichen Lebens nutzen können.

Zur Begründung:   
Für sehr viele Menschen, die bereits schon länger in prekären Verhältnissen bzw. in Armut leben müssen, die auf Leistungen nach dem SGB II, SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz, Wohngeldgesetz, Kinderzuschlag u.ä. angewiesen sind, greifen die verschiedenen Hilfsmaßnahmen von Bund und Land zur Unterstützung von Wirtschaft, Beschäftigte und Selbstständigen nicht, unzureichend oder nur kaum.
Dies fällt umso mehr ins Gewicht, da die Covid-19-Pandemie nicht nur zu teils erheblichen Preissteigerungen in Geschäften und für Lebensmittel geführt hat, sondern eine ganze Reihe von Einkünften in Bargeld (u.a. Flaschen sammeln) oder auch Sachleistungen (z.B. Essen in KiTa, OGS und Schulen, Tafeln, usw.) teilweise oder ganz weggefallen sind. Darüber hinaus führen die notwendigen Einschränkungen auf Grund der Covid-19-Pandemie zu weiteren Belastungen, z.B. wegen der oft beengten Wohnverhältnisse oder der Schließung bzw. des Wegfalls von Angeboten der Teilhabe aller Art. Einige Risikogruppen, wie z.B. Obdachlose und Geflüchtete sind von den Folgen dieser Pandemie deshalb besonders und in mehrfacher Hinsicht betroffen.