Der Kreisverband Die Linke. Siegen Wittgenstein sowie die Linksjugend [‘solid] Siegen- Wittgenstein begrüßen die mehrheitliche Annahme der Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus
Die Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus (JDA) wurde von rund zwanzig Wissenschaftler*innen erstellt und von knapp 375 weiteren unterzeichnet, darunter zahlreiche renommierte zu großem Teil jüdische Antisemitismus- und Holocaustforscher aus Europa, Israel und Nordamerika. Ihre Definition beschreibt das, was Antisemitismus im Kern ausmacht: „Antisemitismus ist Diskriminierung, Vorurteil, Feindseligkeit oder Gewalt gegen Jüdinnen und Juden als Jüdinnen und Juden (oder jüdische Einrichtungen als jüdische)“.1
Die JDA bietet eine differenziertere Herangehensweise an die Frage, was als antisemitisch zu bewerten ist. Anders als die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA)2, die durch ihre generische Formulierung pauschalisiert, benennt die JDA konkreter, in welchen Kontexten antisemitische Ausdrucksformen auftreten – beispielsweise im Hinblick auf die Verwendung historisch belasteter Symbole und Bilder. Während die IHRA-Definition in ihren Beispielen oftmals nur dann von Antisemitismus spricht, wenn solche Darstellungen gegen den Staat Israel oder dessen Bevölkerung gerichtet sind, erkennt die JDA darin antisemitische Motive, wenn sie sich gegen jüdisches Leben, jüdische Gemeinschaften oder Institutionen wenden – nicht zwingend abhängig von einem Bezug zu Israel. Dies entspricht auch unserem Verständnis.
Diese präzisere Bezugnahme auf tatsächliche antisemitische Intentionen stärkt die Anwendbarkeit der Definition, ermöglicht eine Kontextualisierung und vermeidet politische Vereinnahmung. Denn darin sind wir uns doch alle einig: Legitime Kritik am staatlichen Handeln Israels, insbesondere im Hinblick auf völkerrechtliche und menschenrechtliche Fragestellungen sowie zivilgesellschaftliches Engagement für schutzlose palästinensische Frauen und Kinder, die massiv unter den Folgen militärischer Gewalt leiden, dürfen nicht mit Antisemitismus gleichgesetzt werden.
In der parteiinternen Diskussion herrscht nun durch die Annahme der JDA auch mehr Klarheit: Die Linke stellt sich weiterhin konsequent gegen den Antisemitismus in Deutschland und in der Welt. Ebenso haben wir ein Verständnis darüber, dass Kriege, Säuberungen und Völkermorde nie wieder geschehen dürfen! Dies gilt als Maxime linken Denkens und Handelns, unabhängig davon, welche Position wir zu welchem Nationalstaat einnehmen.
Im Nahen Osten leidet vorrangig die Bevölkerung unter dem Konfliktgebaren der jeweiligen Länder. Seit dem 07. Oktober 2023 sind auf palästinensischem und israelischem Gebiet 55000 Menschen gestorben, 135000 wurden verletzt.3 Dies gehört in jeglichen Facetten, durchleuchtet, angesprochen, diskutiert und kritisiert. Die Kritik an einer dieser Konfliktparteien per se als antisemitisch zu brandmarken, verengt jedoch den Diskurs. Jener Diskurs wird zumindest innerparteilich nun durch die Annahme der Jerusalemer Erklärung ohne pauschale Diffamierung ermöglicht, was in einer aktuellen Stellungnahme von 55 Wissenschaftler*innen ausdrücklich unterstützt wird.4
Mit diesem Schritt unterstreichen wir das Engagement unserer Partei, Antisemitismus in Wort und Tat zu bekämpfen und gleichzeitig die Grundfreiheiten zu schützen.
Denn wir sind Linke: Unser Maßstab ist die Menschlichkeit!
1https://www.jerusalemdeclaration.org/wp-content/uploads/JDA-German.pdf
2 vgl. https://holocaustremembrance.com/resources/arbeitsdefinition-antisemitismus
3 vgl. de.statista.com/statistik/daten/studie/1417316/umfrage/opferzahlen-im-terrorkrieg-der-hamas-gegenisrael/
4taz.de/Antisemitismus-Definition/!6088799/