"Keinerlei Eigenkritik oder Selbstreflektion"

Katrin Fey / DIE LINKE. Kreistagsfraktion Siegen-Wittgenstein

Im gestrigen (9.3.) Kreissozialausschuss stand auf der Tagesordnung u.a. unsere Anfrage zur Arbeitsweise der Kreisausländerbehörde im Fall Muradi und der Antrag der Grünen zum selbigen Thema. Anwesend waren neben dem Dezernenten Thiemo Rosenthal auch der Landrat Andreas Müller, so dass die Behördensichtweise umfänglich dargelegt wurde.

Für mich war es sehr enttäuschend, keinerlei Eigenkritik oder Selbstreflektion in den ausführlichen Stellungnahmen und Antworten hören zu können. Betont wurde zwar stets, dass man „menschlich“ sich sehr wünsche, dass die Muradis hier einen Aufenthalt bekommen und eine sichere Zukunft haben, aber es überhaupt keine anderen Möglichkeiten für die Behörde gegeben habe, als dass, was wir alle erlebt haben. Die freiwillige Ausreise wird als „humanitäre Lösung“ verstanden und die Ingewahrsamnahme als verhältnismäßig betrachtet.

Bei Nachfragen auf Spielraum, etwa bei der Einschätzung der Zumutbarkeit des Wehrdienstes im Aserbaidschan, wird stets geantwortet, dies sei gesetzlich geregelt. Klar ist aber auch, dass eine Behörde Ermessensspielraum hat. Sie kann eine solche Mitwirkungspflicht auch als „unzumutbar“ bewerten. In der Ablehnungsverfügung der Behörde, wird auf die Waffenruhe verwiesen, die „..unter Vermittlung des russischen Präsidenten Vladimir Putin zustande kam.“ Wir alle sehen gerade, was in der Ukraine passiert, und diese Einschätzung in der Region Bergkarabach ist nicht mehr aktuell oder belastbar. Weiterhin äußert sich die Behörde in keinster Weise dazu, dass diese Mitwirkungspflicht keinerlei Rückkehrmöglichkeit für die Familie beinhaltet. Passbeschaffung ohne Sinn - zumal die Identität längst geklärt war durch andere Dokumente.

Weiterhin betont insbesondere der Landrat stets, dass das Recht für alle gleich sei und versucht damit, das höhere Ziel der Gerechtigkeit dieser Abschiebung zu unterstreichen. Alle sind gleich heißt eben, alle Ausreisepflichtigen müssen ausreisen und so ist es nun mal nicht. Es gilt die Einzelfallentscheidung und da spielen sehr viele Aspekte eine Rolle. Die Signalwirkung an die Geflüchtetengemeinde Siegen-Wittgenstein durch diese unnachgiebige und starre Haltung ist verheerend. Integrationsleistung wird nicht anerkannt und die Räume der Behörde sind nicht sicher - das ist es, was auch durch die gestrige Diskussion nochmal untermauert wurde. 

Dem Antrag der Grünen wurde leider nur zum Teil gefolgt - dort, wo es nicht so weh tut. Eine „humanitäre Lösung“ soll gefunden werden. Leider ist es aber auch so, dass eine „freiwillige Ausreise“ in Behördendeutsch auch eine humanitäre Lösung darstellt. Welch Zynismus. Weitreichende Veränderungen - personell und räumlich - wurden nur von Grünen und Linken gefordert und unterstützt. Dabei ist es so elementar, eine Willkommensbehörde deutlich zu kennzeichnen für Geflüchtete, Teilhabemanager und Ehrenamt. Die Kommunikation muss transparent und zuverlässig sein. Vereinbarungen und Zusagen durch Behördenmitarbeiter an die Betroffenen oder das Ehrenamt müssen Bestand haben. Um endlich wieder auf Augenhöhe zu kommunizieren, habe ich gestern sowohl schriftliche Fixierung von internen Absprachen gefordert als auch mehr Runde Tische. Durch die zu erwartende Zunahme der ukrainischen Kriegsflüchtlinge wird das Ehrenamt wieder im besonderen Maße gebraucht und es muss wertgeschätzt werden.  

Durch die Ablehnung einer Neuordnung ist eine Chance vertan, hier gemeinsam - auch im politischen Raum - nochmal zu starten. 

Es ist befremdlich zu hören, wie Betroffenheit über die Vorgänge und Entscheidungen geäußert wird, aber an keiner Stelle das eigene Handeln kritisch hinterfragt wird. Scheinbar ist die Kreisausländerbehörde eine Art Maschine ohne Steuermöglichkeit. Glücklicherweise war nun doch mal ein bisschen Sand im Getriebe - gestreut von vielen -, so dass es zumindest für die Familie Muradi Hoffnung gibt.