Stellungnahme: Konzept „Kommunales Integrationsmanagement“ (kurz: KIM)

DIE LINKE. Kreistagsfraktion Siegen-Wittgenstein

Am Freitag, 25. Juni 2021 tagte der Kreistag, u. a. zur Einrichtung und Umsetzung des Kommunalen Integrationsmanagements (kurz: KIM) im Kreis Siegen-Wittgenstein. Bei der Sitzung des Ausschusses für Schule, Weiterbildung, Sport und Integration am Dienstag, 15.06.2021 hat die Fraktion DIE LINKE im Kreis Siegen-Wittgenstein bereits ihre Bedenken und Kritik am „KIM“ geäußert. Im Folgenden möchten wir darlegen, warum wir dieses „Integrationskonzept“ für den Kreis Siegen-Wittgenstein kritisch sehen.

Der Entwurf des Kommunalen Integrationsmanagements ist ein vom Land NRW vorgegebenes Konzept, welches laut Förderskizze vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen die „(…) rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit zur Integration aller eingewanderten Menschen in NRW“[1] fördern soll. DIE LINKE Fraktion im Kreis Siegen-Wittgenstein kritisiert das Konzept an vielen Stellen, wie im Folgenden dargelegt wird.

1. Einbindung der freien Träger

„Wir kritisieren, dass das Konzept an der Öffentlichkeit des Kreises Siegen-Wittgenstein, v. a. an den Wohlfahrtsverbänden, freien Trägern und dem Ehrenamt vorbei eingerichtet werden soll und es bis dato keine Anstalten gab, die Sozialverbände, freie Träger und Ehrenamtler, die sich bereits seit Jahrzehnten mit viel Herz und Engagement in der Flüchtlingshilfe und in der Betreuung von geflüchteten Menschen und/oder Migrant*innen in unserem Land einbringen und einen großen Dienst für unsere Gesellschaft leisten, in die Konzept-entwicklung einzubinden“, erläutert Ingo Langenbach, Geschäftsführer der Kreistagsfraktion der Linken Siegen-Wittgenstein.  

So entsteht der fatale Eindruck des Versuches von Seiten der Kreisverwaltung einer Zurück-drängung von freien Trägern und Sozialverbänden sowie einer Zentralisierung der Kompetenzen in Fragen der  Betreuung von geflüchteten Menschen und Migrant*innen alleine bei der Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein. Unserer Meinung nach wird das Thema an der Öffentlichkeit vorbei „debattiert“. Dazu kommt, dass der Tagesordnungspunkt „Kommunales Integrationsmanagement“ nicht auch im letzten Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Bevölkerungsschutz am 9. Juni 2021 auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Dabei sind in diesem Ausschuss bekanntlich Vertreter*innen der Sozialverbände als Berater*innen vertreten. Absicht? „Dass das Ehrenamt und die freien Träger außen vor gelassen wurden, zeigt den künftigen Weg unserer Politik. Nicht überall, wo Integration drauf steht, ist Integration drin!“, so Katrin Fey, stellv. Fraktionsvorsitzende DIE LINKE im Kreis Siegen-Wittgenstein. „Wir haben es im Kreis erlebt bei den Menschen aus Guinea und an anderen Beispielen, wo Menschen in strikter Kettenduldung gehalten werden, trotz Integrationswillen, Arbeit, Einkommen und Spracherwerb. Das ist unmenschlich“, so Fey weiter.  

2. Klärung der Identität

Ein sensibler Punkt ist und bleibt die Mitarbeit an der Aufklärung zur Identität, die häufig für Integration verlangt wird, aber gleichzeitig zur Abschiebung führen kann. Aus unserer Sicht und durch viele Gespräche mit den Wohlfahrtsverbänden, freien Trägern und engagierten Integrationslotsen mit voller Absicht. Das verursacht oft bei den Geflüchteten Ängste und Hoffnungslosigkeit. Das Konzept des Kommunalen Integrationsmanagement darf nicht zur Abschiebung von Geflüchteten im Kreis Siegen-Wittgenstein führen!

Deshalb fordert DIE LINKE im Kreis Siegen-Wittgenstein:

1. Es muss ausschließlich im Sinne der Integration und des Bleiberechts gearbeitet werden. Das heißt u. a. der Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete muss grundsätzlich zugelassen werden und der Spracherwerb muss vom ersten Tag in Deutschland an erlaubt sein,

2. Bestehende Beratungsstrukturen müssen erhalten bleiben und gestärkt werden. Die freien Träger und das Ehrenamt müssen von Beginn an miteingebunden werden. 

Wenn, wie der Landrat beim letzten Kreistag am 25. Juni 2021 und die Verwaltung im Ausschuss für Schule, Weiterbildung, Sport und Integration am 15.06.2021 zusagt, dass es

1. Gespräche mit den Wohlfahrtsverbänden in einem zweiten Schritt geben soll, und

2. ein Kontingent von freien Stellen zu den freien Trägern gehen soll,

muss das per Beschluss festgelegt werden.

 

Aus unsere Sicht sollen Fakten geschaffen werden, um

1. vermeintlich „unliebsame“ Akteure, wie z. B. Verbände, freie Träger und ehrenamtliche Integrationslotsen aus der Zivilgesellschaft bei den Beratungen und der weiteren Konzeptionierung des „KIMs“ außen vor zu lassen, und

2. über vermeintlich „unliebsame“ Personengruppen (Geflüchtete, Migrant*innen) „unbürokratischer“, schneller und an der Öffentlichkeit vorbei Entscheidungen im „Einzelfall“ fällen zu können.

3. Um welche Zielgruppe geht es?

„Des Weiteren kritisieren wir, dass die Zielgruppe im KIM-Entwurf nicht genau definiert wird. Also stellen wir die Frage: Wer genau soll von dem Kommunalen Integrationsmanagement im Kreis Siegen-Wittgenstein „profitieren“? Über welche Gruppe(n) reden wir konkret? Abgelehnte, Anerkannte oder grundsätzlich jede*r mit Integrationsleistungen?“, fragt Katrin Fey.  

In einem Abschnitt des Konzepts werden Menschen im AsylbLG erwähnt. Das sind Geflüchtete, die entweder im Asylverfahren stehen oder aber Menschen mit einem negativen Bescheid, also ohne Aufenthaltsgestattung. Diese haben per Gesetz weder Anspruch auf Sprachkurse noch Anspruch auf Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. So will es unsere Politik. Unserer Meinung nach geht es eben NICHT um Integration, sondern um Abschiebung. Nun erlässt unsere Regierung gerne Gesetze und Konzepte, die vordergründig der Verbesserung der Lebensumstände und Zukunftschancen dieser Menschen dienen sollen, aber letztlich eher zeigen, wie hoch bürokratische Hürden eben genau durch diese Gesetze gelegt, Betroffene bei ihrer Integration massiv behindert werden und ihr Integrationswille so auf eine sehr harte Probe gestellt wird.

4. Datenschutz

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Datenschutz. Was ist mit dem Datenschutz bei rechtskreisübergreifenden Austausch zwischen Behörden? Durch Gespräche mit ehrenamtlichen Akteuren in der Integrationsarbeit hören wir ständig, dies und das geht wegen des Datenschutzes nicht. Deshalb fragen wir:

1. Was sieht das Kommunale Integrationsmanagement konkret beim Thema Datenschutz und beim Austausch von sensiblen Personendaten vor,

2. und wie wird der Datenschutz konkret gewährleistet?

5. Sprache im Konzept

„In der Konzeptverlage wird eine äußerst bürokratische Sprache benutzt, die unserer Auffassung nach komplett deplatziert ist. Geflüchtete werden hier zu einem Verwaltungsvorgang degradiert. Begriffe wie „Strategische Case Manager“, „Systemebene“ und „Qualitätsstandards“ sind unserer Meinung nach Begriffe, die rein gar nichts im Feld der Integrationsarbeit zu suchen haben. Wir dürfen bei der Arbeit mit den Menschen nicht die vielen Einzelschicksale, vielfältigen Biografien und unterschiedlichen Persönlichkeiten, die mit ihren ganz individuellen Zukunftsträumen und Hoffnungen nach Deutschland gekommen sind und kommen, bei der täglichen Arbeit aus den Augen verlieren und vergessen“, kritisiert und betont Ingo Langenbach.  

6. Fazit

Unserer Meinung nach besteht die Gefahr, dass mit der Implementierung des „KIM“ in der Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein

1. Akteure, wie Sozialverbände, freie Träger und ehrenamtliche Lotsen, in ihrer Arbeit, ihrem Mitspracherecht und Mitgestaltungsmöglichkeit(en) massiv behindert und eingeschränkt werden,

2. die Beratung und Entscheidung über individuelle Einzelfälle mit diesem Konzept weiter beschnitten und für die Öffentlichkeit intransparent werden,

3. die Gefahr besteht, dass man nur noch nach „Qualitätsstandards“ und z. B. „Abschiebequoten“, wie im „KIM“-Konzept zu lesen ist, im Einzelfall beurteilt und die Entscheidungsbefugnis(se) alleine bei der Ausländerbehörde des Kreises liegen wird und ein Mitspracherecht bzw. die Mitgestaltungsmöglichkeit(en) anderer Akteure massiv eingeschränkt werden. So können Entscheidungen über Bleiberecht und Abschiebung beschleunigt und an der Öffentlichkeit vorbei entschieden werden, und

4. vieles, was in der Ausländerbehörde administrativ passiert, wird dann nicht mehr oder nur bruchstückhaft/verzerrt an die Öffentlichkeit treten, wenn überhaupt.

Für uns sind einfach noch zu viele Fragen offen. Aus den oben genannten Gründen steht die Kreistagsfraktion der Linken Siegen-Wittgenstein der Einrichtung und Umsetzung des „Kommunalen Integrationsmanagement“ vom Land NRW im Kreis Siegen-Wittgenstein sehr kritisch gegenüber.

 


[1] Kommunales Integrationsmanagement – KIM im Kreis Siegen-Wittgenstein. Förderskizze zur Einrichtung und zum Betrieb. Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, S. 2