Haushaltsrede zum Haushalt 2019 der Stadt Netphen

Rat Netphen, Ekkard Büdenbender

Ich werde als 7. Redner des Tages, zudem ohne Antragsrecht, mich weniger mit den Details befassen und mich aufs Wesentliche konzentrieren.

Bund und Länder erfreuen sich inzwischen an Rekordeinnahmen, aber wir diskutieren über Steuererhöhungen für unsere Bürgerinnen und Bürger. Mehr Informationen benötigt man eigentlich nicht, um zu begreifen, dass hier etwas schief läuft. Dabei sparen wir bereits seit Jahren an allen Ecken und Enden, seit Jahren ist unser Hauptziel nur noch der Haushaltsausgleich 2020. Denn wenn er nicht gelingt, so heißt es, verlieren wir unsere Eigenständigkeit. Und wenn er uns gelingt? Was dann? Haben wir dann plötzlich mehr Geld? Ändert sich dann irgendetwas? Oder sparen wir uns dann weiterhin freiwillig in die Bedeutungslosigkeit.

Für mich ist eine Stadt mehr als nur die Summe ihrer Straßen, Häuser, und Wasserleitungen. Die Aufgabe dieses Rates sehe ich nicht nur in der Kontrolle der Verwaltung.  Unsere Aufgabe sehe ich auch darin, die Wünsche und Visionen unserer Bürgerinnen und Bürger zu bündeln, zu diskutieren und auf Umsetzbarkeit zu prüfen. Kommunalpolitik bedeutet für mich, gemeinsam hier vor Ort an unserer gemeinsamen Zukunft zu arbeiten. Und ich glaube, die meisten von uns sind mit diesem Ziel hier einmal gestartet.

Die Haushaltslage unserer Stadt nimmt uns aber diese Möglichkeit. Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt, Südwestfalen gehört zu den stärksten Industrieregionen des Landes. Aber wir haben hier ernsthafte Diskussionen geführt, was uns in Schulen wichtiger erscheint, Toiletten oder IT. Denn Internet ist Zukunft und saubere Klos Vergangenheit?  Wie tief wollen wir uns denn noch degradieren lassen? Seit Jahren fehlen uns die Gelder, seit Jahren fehlt uns vor allem eine zuverlässige Planbarkeit darüber, welche Gelder uns denn wirklich zur Verfügung stehen. Wenn wir einmal Gelder von Bund und Land bekommen, dann sind es projektbezogene Finanzhilfen, die zwar durchaus auch sinnvolle Entwicklungen bewirken, aber eine langfristige Stadtgestaltung ist damit nicht möglich.

Ich habe bis jetzt keinem einzigen Haushaltsentwurf zustimmen können, weil ich nicht akzeptieren kann, dass unser Staat seine Kommunen an die Wand fährt. Ich habe schon vor Jahren angemahnt, dass ein Kaputtsparen der demokratischen Basis entweder Dummheit oder Berechnung sein muss. Gegen beides muss man sich wehren. Aber mit der Kritik in erster Linie beim Kreis anzusetzen, führt uns nicht wirklich weiter. Der Kreis ist nicht Urheber unserer Probleme, er versucht bloß den schwarzen Peter nach unten weiter zu reichen, zu uns. Wann begreifen wir endlich, dass wir auf Kreisebene nicht gegeneinander, sondern miteinander denken und arbeiten müssen. Anstatt sich gemeinsam gegen die Unterfinanzierung zur Wehr zu setzen, schieben wir bloß den schwarzen Peter hin und her.

Unsere Lethargie, mit der wir darauf warten, dass sich die allgemeine Situation wieder verbessert, ist schon beeindruckend. Seit Jahren haben wir die gleichen Probleme, seit Jahren bewegt sich nichts, bewegen wir nichts. Wir haben Hochkonjunktur, nähern uns der Vollbeschäftigung. Besser als jetzt wird es finanziell nicht mehr. Dafür kommen aber nahezu jedes Jahr neue Probleme dazu.

Wir haben letztes Jahr festgestellt, dass Klimawandel nicht nur die Malediven und die Polkappen treffen können. Wir haben gesehen, dass selbst im Siegerland die Wiesen verdorren können, die Bauern ihr Winterfutter im Sommer verfüttern mussten. Wir sehen, wie sich der Borkenkäfer durch die geschwächten Fichtenwälder frisst, hören Prognosen, dass dies erst der Anfang sein könnte. Aber wir haben uns in den letzten Jahren so klein machen lassen, dass wir nicht einmal darüber nachdenken, ob wir es sind, die auf solche Bedrohungen der eigenen Stadt reagieren müssten. Aber wozu sollten wir uns auch Gedanken machen, wenn uns ohnehin das Geld für Maßnahmen fehlen würde.

Wir müssen endlich unsere Handlungsfähigkeit wieder herstellen, uns läuft die Zeit davon.

Die Verwaltung schlägt daher vor, die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B moderat anzuheben. D.h., wir sollen wieder einmal den schwarzen Peter nach unten weiterreichen. Wir beschweren uns, dass der Kreis nicht einsieht, dass wir bereits finanziell am Limit sind, und vergessen, dass ein zunehmender Teil unserer Einwohner in der gleichen Lage ist. Eine Erhöhung der Grundsteuer um 25 Euro hört sich tatsächlich moderat an. Aber an vielen Haushalten geht die gute allgemeine wirtschaftliche Lage genauso vorbei, wie die Haushaltsüberschüsse von Bund und Land an unserer Stadt. Diese moderate Erhöhung ist nur eine von so vielen. Ein zunehmender Teil der Bevölkerung steht jetzt schon mit dem Rücken zur Wand.

Aber wir dürfen auch nicht mehr länger auf ein Umdenken in Berlin hoffen, wir dürfen nicht noch mehr Zeit verlieren. Wir müssen endlich wieder dafür sorgen, dass wir über Gelder verfügen, die uns eine verlässliche Planung ermöglichen. Vielleicht sollten wir deshalb einfach alle einmal links denken.

Eine zwangsweise Erhöhung der Grundsteuer B halte ich nicht für vertretbar. Da Einnahmen aus der Grundsteuer nicht auf die Schlüsselzuweisungen angerechnet werden, ist es aber durchaus sinnvoll, hier den Hebel anzusetzen, - aber ohne Zwang. In linken Kreisen ist es längst üblich, gemeinsame Kosten flexibel zu tragen. D.h., wer mehr hat, gibt auch mehr. In der Regel gibt es mindestens 3 Einstufungen, in die sich jeder selbst einordnet, nach seiner eigenen Einschätzung seiner Möglichkeiten. Für Nichtlinke klingt das vielleicht sehr utopisch, ist aber längst Realität. Einen Mindestbeitrag zahlt jeder, aber manche sind durchaus in der Lage, mehr zu bezahlen, und tun dies auch. Wobei das durchaus wechseln kann. Es gab Phasen in meiner Biographie, da wäre ich beispielsweise von einer Erhöhung der Grundsteuer nicht gerade begeistert gewesen. Aktuell befinde ich mich in einer Einkommensklasse, in der ich meine die Grundsteuer ruhig verdoppeln könnte, ohne dass mir das weh täte. Und das ist bei vielen Menschen so.

Wir sollten also darüber nachdenken, wie es möglich ist, den Hebesatz individuell zu gestalten. D.h., der Hebesatz bleibt unverändert, aber wir bieten Menschen die Alternative an, auch mehr zu bezahlen. Wie gesagt, ich weiß, das klingt für Viele sehr utopisch. Doch bisher haben wir Berlin und Düsseldorf gebeten und unsere Mitmenschen gezwungen, mehr zu bezahlen. Vielleicht sollten wir es einfach mal andersherum probieren. Wir appellieren an die Einsicht unsere Bürgerinnen und Bürger und versuchen zusammen mit den anderen Kommunen den Druck nach oben zu erhöhen.

Voraussetzung dafür wäre vor allem, dass wir Netphen als unsere gemeinsame Stadt begreifen und begreifbar machen, als unsere gemeinsame Basis. Ich habe mich daher sehr gefreut, dass die Verwaltung auch ein Bürgerforum in die Pläne für die neue Eishalle eingebaut hat.  Ich bin fest davon überzeugt, dass wir unsere Einnahmen um mehr als nur 280.000 Euro anheben werden, wenn unsere Bürgerinnen und Bürger nicht das Gefühl haben, dass ihnen das Geld aus der Tasche gezogen wird, sondern wenn ihnen klar wird, dass sie es in eine gemeinsame Zukunft investieren.