Haushaltsrede Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Siegen 2022

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrter Herr Cavelius,

sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Medienvertreter,

 

Corona-Pandemie und kein Ende!

Seit nunmehr zwei Jahren bestimmt dieses Virus in seinen Varianten unser Leben, im Privaten wie in den kommunalen Bereichen. Seit das Corona-Virus da ist, gehen die Gewerbesteuereinnahmen zurück und auch die Hilfen vom Land sind nichts anderes als ein zinsloser Kredit, der irgendwann zurückgezahlt werden muss. Die Pflichtleistungen sind unverändert hoch und der Haushalt muss in diesem Jahr ausgeglichen werden. Gelingt dies nicht droht der Nothaushalt!

Trotz dieser Aussichten hat Siegen sich in den letzten Jahren einige sogenannte Leuchtturmprojekte geleistet. Natürlich hat dabei die Inanspruchnahme von Fördergeldern erheblich zum Erfolg des Ganzen beigetragen. Dennoch sollte man den Rahmen nicht überspannen. In der jetzigen Situation wäre es fatal, sich ein weiteres Großprojekt wie den Bunker ans Bein zu binden. Natürlich wäre es auch für die Linke ein kultureller Gewinn, wenn das Siegerlandmuseum durch den Ausbau des Bunkers Burgstraße erweitert werden könnte. Die finanzielle Situation der Stadt lässt aber kein solch kostspieliges Projekt mehr zu. Auch wenn sich ein Förderverein gegründet hat und die Anschubkosten faktisch komplett durch ihn übernommen werden, muss einem Jeden klar sein, dass die Folgekosten von einer knappen Millionen Euro irgendwann auf die Stadt zukommen. Man kann nicht davon ausgehen, dass der Förderverein auf Dauer sämtliche Kosten übernimmt.

Auch das Gewerbegebiet Martinshardt II ist zwar in diesem Jahr noch nicht im Haushalt verbucht. In den Folgejahren wird es allerdings, vor allem wegen der Schwierigkeiten bei der Erschließung noch erhebliche Kosten verursachen. Ob der Verkauf der Flächen diese Kosten wieder reinholt ist zu bezweifeln. Unter Anderem aus diesem Grund fordert die Linke, auf das Gewerbegebiet zu verzichten.

Corona hat vieles verändert und auch die aktuelle politische Lage ist nicht dazu angetan, die Situation zu verbessern. Die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt spüren das an allen Ecken und Enden. Strom, Wasser, Gas, Mobilität, Kleidung und Nahrungsmittel, faktisch alle Dinge des täglichen Lebens werden immer teurer. Gerade Geringverdiener spüren das mehr und mehr. Aus diesem Grund können sie nicht auch noch durch eine Erhöhung der Grundsteuer B weiter belastet werden. Die Linke lehnt somit eine Erhöhung der Grundsteuer B, gleich in welcher Höhe ab.

Stattdessen können wir uns eine Erhöhung der Gewerbesteuer durchaus vorstellen.

Eine Großbaustelle liegt uns aber am Herzen: Das Hallenbad in Weidenau.

Wir begrüßen die Pläne zum Anbau und zur Sanierung des Bestandsbades auf das Außerordentlichste. Wir sind froh, dass in einigen Jahren die Siegener Schulen und Vereine auf ein modernes Bad zugreifen können. Somit kann die Stadt Siegen ihren Beitrag leisten, dass Siegener Kindern die Möglichkeit gegeben wird in jungen Jahren Schwimmen zu lernen. Eine Tatsache, die in vielen Städten nicht mehr selbstverständlich ist.

Wichtige kommunale Bereiche, die das Leben der Bevölkerung bestimmen, werden auf dem Marktplatz einzelner kommunaler Akteure ausgehandelt.

Schule und (Rad)Verkehr sind zwei dieser Bereiche.          

„Die Corona-Krise hat gezeigt, wie schlecht die Siegener Schulen digital aufgestellt sind. Unterschiedliche Software, unterschiedliche Dateiformate, überforderte Server, unklarer Datenschutz, Ungewissheit über den Verbleib von Dateien.

Ein Medien-Entwicklungsplan ist in Siegen seit Jahren überfällig und dieses Versäumnis hat einen vielfältigen Wildwuchs entstehen lassen. Jetzt zahlen wieder die Kinder und Jugendlichen aus sozial schwächeren Familien einen besonders hohen Preis für die kommunalen Versäumnisse.

Die LINKE hat in der Sitzung des „Ausschuss für Schule und Bildung“ am 07. März 2019 gefordert, ein Leitbild und ein Konzept für einen „Digitalen Schulcampus Siegen“ zu entwickeln.

Kinder, Jugendliche, Eltern und Lehrer/innen könnten nach unserer Überzeugung dadurch ein Gefühl stärkerer kommunaler Integration und auch Verbundenheit entwickeln – als Gegenpol zum zerstörerischen Prinzip allseitiger Konkurrenz.

Schulen sollten sich gegenseitig digital „sehen“ können in diesem Campus, Arbeiten von Schülern austauschen und Begegnungen zwischen Schulen organisieren können – auch über die Grenzen von Schulformen hinweg. Erfahrungen der Stadt Unna in dieser Hinsicht sollten durch einen Vortrag von dort genutzt werden.

Laut Protokoll der Sitzung im März 2019 „… sieht der Ausschuss keine Notwendigkeit einen Vortrag über das Projekt der Kreisstadt Unna zu organisieren und lehnt den Antrag der Fraktion Die Linke mehrheitlich ab.“ Rüdiger Käuser, Leiter des Fürst-Johann Moritz Gymnasiums in Siegen bis Ende ´21 sagte zu dem Anliegen unserer Partei in einer seiner letzten Sitzungen des Ausschusses für Schule und Bildung „Die Idee hat was.“

Das „Aus“ für das Peter-Paul Rubens Gymnasium ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass man die Entwicklung der Gymnasien dem Prinzip der Konkurrenz überlassen hat.

Der Kämmerer unserer Stadt schreibt im „Vorbericht zum Haushalt 2022“ u.a.:

„Explizit soll der Vorbericht […] Aussagen enthalten über:

1.         welche wesentlichen Ziele und Strategien die Kommune verfolgt und welche Änderungen gegenüber dem Vorjahr eintreten werden.“

Unsere Frage nach erkennbaren „Zielen und Strategien“ in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 02.12.2021 blieb ohne klare Antwort.

Der „Nationale Radverkehrsplan 2020“ der Bundesregierung gilt nach Aussage des ADFC als weitgehend gescheitert.

Eine Umsetzung der Anregungen und Vorgaben des Bundes ist abhängig vom Willen der Länder und vor allem der Kommunen. Es ist vor allem die Ansprache einer Kommune an ihre Bürgerinnen und Bürger, die hier den Unterschied machen kann zwischen dem Radverkehr als „geduldete Exotik“ und dem Radverkehr als „Verkehrsmittel städtischer Zukunft“.

„Im Verhältnis zur Infrastruktur sind Kommunikationsmaßnahmen zwar nicht kostenlos, aber überaus kosteneffizient. Sie sind in jedem Stadium der Radverkehrsförderung erforderlich. Wichtig ist die Erkenntnis, dass kein Zeitpunkt ´zu früh` und kein Budget ´zu klein` ist.“ (Quelle: Nationaler Radverkehrsplan 2020, Seite 37)

Auch hier investiert die Stadt Siegen baulich in Verbesserungen der Infrastruktur, überlässt das Geschehen auf den Straßen aber dem Kampf der beteiligten Akteure. Ohne klare kommunikative Botschaft, ob sie den Autoverkehr im städtischen Raum begrenzen und einschränken will.

Der Autoverkehr braucht sich somit nicht angesprochen zu fühlen, zu einem rücksichtsvolleren, langsameren und nachhaltigeren Verkehrsgeschehen beizutragen. Trotz des sichtbar größeren Anteils des Radverkehrs auf den Straßen auch der Universitätsstadt Siegen.

Das Mobilitätskonzept der Stadt Siegen wurde unter Federführung eines Aachener Ingenieurbüros entwickelt, vom Arbeitskreis „Klimaschutz-Teilkonzept Mobilität“ des Rates begleitet und dann vom Rat beschlossen. Darin finden sich Aussagen zur Notwendigkeit – kostenintensiver - baulicher Maßnahmen der Kommune in Abhängigkeit von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf den Straßen der Kommune.  Tempo 30 würde viele Maßnahmen überflüssig machen und daher – neben vielen anderen positiven Effekten – den Haushalt entlasten.

Eine Anfrage unserer Partei und die entsprechende Antwort der Verwaltung machten deutlich, dass die Stadt Siegen auch hier kein proaktives Konzept hat.

Auch in den Bereichen Schule und (Rad)Verkehr hat die Corona-Krisen gezeigt, wo unsere Kommune das Geld einsetzen könnte, um das Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger sozial gerechter und im Alltag sicherer und entspannter zu machen. Wenn sie es nicht tut, gibt sie zu erkennen, dass sie das kommunale Leben dem Markt überlässt.“

Erinnerungskulturell hat sich in der letzten Zeit eine sehr positive Entwicklung vollzogen, was uns für die Zukunft hoffen lässt.

Der im vergangenen Jahr neu gegründete Arbeitskreis „Aufarbeitung der historischen Hintergründe von Straßennamen in Siegen“ hat regelmäßig getagt, z. T. kontrovers, aber  über alle Parteigrenzen hinweg immer vertrauensvoll-konstruktiv, zielstrebig und mit wissenschaftlicher Unterstützung. Seine Empfehlungen werden in ein paar Monaten den Gremien und der Öffentlichkeit zur weiteren Diskussion präsentiert werden können. Dass wir allerdings weiterhin die Causa „Fissmer“ nicht als final abgehakt betrachten, sei auch hier noch einmal betont.

Unsere Stadt ist bunt und ein sicherer Hafen, das muss weiterhin der gemeinsame Anspruch aller Demokrat*innen bleiben.

Durch die soziale Ungerechtigkeit ist der Rechtsradikalismus salonfähiger gemacht worden; Hass, Hetze und rechte Gewalt sind leider keine Seltenheit mehr. Wenn Rechtsradikale mit Propagandaständen und rassistischen Slogans aufmarschieren, denken wahrscheinlich einige es betrifft sie nicht, aber für viele Bürgerinnen und Bürger ist dies unerträglich. Wegschauen und Ignorieren wäre nicht nur fahrlässig, gefährlich und geschichtsvergessen, sondern verspielte das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie. Politik und Verwaltung müssen sich hellwach ihrer Verantwortung für alle Menschen, egal welcher Herkunft, bewusst werden, um gemeinsam mit der starken Zivilgesellschaft unserer Stadt und mit allen demokratischen antifaschistischen Akteuren gegen die zunehmende rechtsextreme Bedrohung zu handeln. Wir halten weiterhin die Einrichtung eines Arbeitskreises zur Entwicklung eines Handlungskonzeptes gegen Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und Rassismus für erforderlich.

Und last but not least das Thema Frauen im öffentlichen Dienst:

Es gibt nach wie vor zu wenige Frauen im öffentlichen Dienst. Die Gründe dafür sind mannigfaltig und lange bekannt. Frauen sind nach wie vor diejenigen, die maßgeblich die Kinder betreuen und die oft die Care-Arbeit leisten. Dies zeigt sich ganz besonders in der Corona-Pandemie. Der Öffentliche Dienst soll die Erfüllung aller Aufgaben sichern, die der Staat zu leisten hat. Vom Finanzamt über das Krankenhaus bis zum Justizvollzug, von der Schule über die Müllabfuhr bis zum Öffentlichen Nahverkehr bewegt sich die Bandbreite der ureigenen Arbeitsfelder des Öffentlichen Dienstes. Rund 4,7 Millionen Menschen arbeiten in der Bundesrepublik in diesem Bereich als Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare, Soldatinnen und Soldaten oder im Angestelltenverhältnis. Mehr als die Hälfte davon sind Frauen.

Von 1991 bis 2008 hat sich die Zahl der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst von 6,4 auf 4,5 Millionen verringert. Nach einer leichten Erholung in den Folgejahren ist die Zahl der Beschäftigten zuletzt erneut gesunken. Dabei gibt es einen enormen Bedarf an sozialen Dienstleistungen. Wenn alle Frauen, die dies möchten, einer Erwerbstätigkeit nachgehen würden, wären mehrere Hunderttausend zusätzliche Arbeitsplätze in der Kinderbetreuung nötig.

Wir wünschen allen Bürger*innen der Stadt Siegen und der Kommune als Ganzes trotz allem ein gutes Jahr 2022, ein friedliches und soziales Zusammenleben und eine gute wirtschaftliche Entwicklung! Glück auf!