Haushaltsrede zum Haushalt 2011 der Stadt Siegen

Rat Siegen, Martin Gräbener
Fraktion DIE LINKE
Fraktionsvorsitzender Martin Gräbener

 

Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,

ich möchte, wie auch bei meiner letzten Haushaltsrede, frei sprechen, da die letzten Tage doch einige interessante Entwicklungen in diesem Rat mit sich gebracht haben, die es durchaus auch zu kommentieren gilt.

Ich möchte mich dazu allerdings nicht lange auslassen, sondern mich auf die wesentlichen Imponderabilien dieses Haushalts beziehen.

Leider muss ich sagen: Es wird zu viel von der positiven Entwicklung ausgegangen. Ich muss Ihnen sagen, meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist nach wie vor auf Sand gebaut und zwar zum Teil auf heftigem Flug- oder Treibsand. Dies kann man an verschiedenen Dingen belegen.

Zunächst sind die reinen Eckdaten natürlich so, dass man sagen muss: Die geringfügig angestiegenen Gewerbesteuern und Einkommensteueranteile in der Stadt Siegen plus eine vorausschauende und kluge Politik des Kämmerers hat dazu geführt, dass die Neuverschuldung nicht mehr bei prognostizierten 40,328 Mio. Euro liegt, sondern bei 34 Mio. Euro.

Das ist eine Angelegenheit, die kann einen nicht beruhigen vor dem Hintergrund, dass die prognostizierte Wirtschaftsentwicklung durchaus von sehr vielen Unsicherheitsfaktoren abhängig ist, die durchaus bedeuten, dass diese Krise, die in den letzten Jahren zum finanziellen Einbruch geführt hat, noch lange nicht vorbei ist und unter Umständen in relativer Kürze in die nächste Welle hinein geht.

Gestern Abend hat die Europäische Zentralbank vor dem Hintergrund der Irland-Krise und vor der vorausschauend kommenden Portugal-Krise eine Eigenkapitalaufstockung in einer Großzahl verkündet. Ich rechne in relativer Kürze mit einer Erhöhung des Leitzinses. Wie sich dann die Kassenkredite und Zinsen entwickeln bei einer Kassenkreditlage von 145 Mio. Euro, weiter prognostiziert nach oben steigend bis über 200 Mio. Euro 2014, das kann für die Finanzen einer Stadt wie Siegen bzw. für Siegen selbst tödlich sein.

Also machen Sie bitte nicht so viel Hoffnung in Bezug auf "Aufschwung ist wieder da" usw., so toll ist das nicht, was da passiert. Auch die Betroffenen, die jetzt wieder in Arbeit befindlichen Kolleginnen und Kollegen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus gekommen sind, arbeiten zum größten Teil als Leiharbeiter mit befristeten Einstellungen. Wenn die Krise sich wieder verschärft, stehen diese alle wieder vor der Tür und das kann einen nicht zufrieden stellen.

Aber man muss dem Kämmerer an dieser Stelle ein Lob aussprechen, das wollen wir auch ausdrücklich machen und damit auch unser Abstimmungsverhalten begründen.

Im Grunde genommen ist der Haushalt 2011 eine Fortschreibung des Haushaltes 2010, die Fortschreibung dessen, was in einem mühseligen Haushaltskompromiss in 13 Haushaltskonsolidierungssitzungen 2010 erreicht worden ist und was anfänglich ganz anders aussah. Zur Auffrischung Ihres Gedächtnisses: Es waren Dinge im Gespräch von Seiten der großen Fraktionen, die auf einen wirklichen Sozialabbau in dieser Stadt Siegen hinaus gelaufen wären. Diese konnten im Rahmen der Haushaltskompromissverhandlungen abgebaut werden. Beschlüsse von 2009 sollten gecancelt werden, es war die Schließung des Stadtbades Löhrtor im Gespräch usw .. Es ist durch intensive Verhandlungen ein Kompromiss herausgekommen und das sehen wir im Prinzip im Haushalt 2011 fortgeschrieben.

Was wir auch sehen ist, dass der Kämmerer durch eine kluge kaufmännischen Haltung an der Stelle, was die Kreisumlage angeht, den worst case angenommen hat und nun tatsächlich gegenüber 2009 eine niedrigere Umlage zu zahlen ist von rd. 500.000 Euro. Das ist das reale Ergebnis.

Und es ist natürlich auch richtig, was Herr Bertelmann gesagt hat, es nutzt im Grunde genommen gar nichts, wenn alle Gemeinden des Siegerlandes gemeinsam auf Herrn Breuer und die Kreisverwaltung losgehen, weil der Kreis ist genauso wie die kreisangehörigen Städte und Gemeinden von dieser Art Steuerpolitik und dieser Art von Verteilungspolitik von Oben nach Unten durch Bund und Land betroffen ist.

Ich sage nur einmal die Stichworte aus meiner letzten Haushaltsrede, um ein bisschen das Gedächtnis aufzufrischen, was sich denn in diesem Jahr getan hat: Das Konnexitätsprinzip wird weiterhin nicht eingehalten. Das Land NRW musste durch Verfassungsgerichtsurteil zur U3-Betreuung auf die Wahrheit der Tatsachen gestoßen werden. Das Land NRW hat zwar jetzt dankenswerter Weise ein "Aktionsprogramm Kommunalfinanzen" von 300 Mio. Euro aufgelegt, aber davon bleiben bei der Stadt Siegen, die entsprechende Verteilung vorausgesetzt, gerade einmal 1 ,5 Mio. Euro hängen. Das ist noch nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Bund diskutiert über eine Gemeindefinanzreform, viele schöne Worte. Wir habe die Befürchtung, dass diese Diskussion sich fortsetzt bis zur nächsten Bundestagswahl, dann irgendwie die Bonbons verteilt werden nach dem Motto "Wir wollen wieder gewählt werden.", aber in Wirklichkeit nichts passiert. Da ist Aufpassen angesagt.

Die ganze Entwicklung der Gewerbesteuer und die Einkommensteueranteilermittlung bei dieser Art von Gemeindefinanzstrukturen macht die Gemeinde - auch die Stadt Siegen - weiterhin völlig abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung. Das kann so nicht bleiben, ob es sich ändern wird, werden wir sehen.

Meine Damen und Herren,

ich will meine Ausführungen nicht zu lang machen über all die Dinge, die in den Beiträgen der anderen Ratsfraktionen bereits gesagt worden sind. Was von vier Fraktionen angestoßen worden ist, von einer fünften Fraktion mit getragen wird, wird natürlich im Einzelnen in den nächsten Monaten in 2011 noch zu bereden und zu entscheiden sein. Vieles davon ist positiv, vieles können wir mit tragen.

Wir werden aber trotzdem diesem Antrag nicht zustimmen, d. h. die Fraktion DIE LINKE wird sich beim Haushalt 2011 dieses Jahr der Stimme enthalten.

Wir hatten eine Diskussion in der Fraktion, dass vor dem Hintergrund der relativen Einnahmeverbesserung, d. h. der relativ geringeren Neuverschuldung, die beschlossenen Gebührenerhöhungen zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger - ich nenne die Beispiele Musikschule, Schließung Sauna Löhrtor, Friedhofsgebühren, Eintritt Schwimmbäder u. a. vor diesem Hintergrund eigentlich nicht mehr gerechtfertigt sind bzw. eigentlich gestoppt werden sollten. Unsere Position ist, dass diese Sparpolitik nicht zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger, die für die Krise nicht verantwortlich sind, gemacht werden kann zumal sich der Betrag noch nicht einmal auf 500.000 Euro beläuft, wo durch Gebührenerhöhungen die Einnahmen verbessert werden sollen.

Wir hätten damit Grund gehabt, uns aus unserer Grundposition heraus gegen den Haushalt 2011 zu stellen, aber wir machen das nicht, sondern enthalten uns, um damit auch der Kämmerei und der Verwaltung an dieser Stelle zu sagen: Im Prinzip wird die Linie 2010 - dort sind wir am Haushaltskompromiss beteiligt gewesen - fortgesetzt.

Wir werden allerdings auch aus anderen Gründen nicht dem gemeinsamen Antrag der jetzt fünf Fraktionen zustimmen- und zwar aus Gründen der Selbstachtung.

Die CDU muss es selbst vertreten, dass sie an dieser Stelle als fünftes Rad am Wagen auf den Zug aufgesprungen ist wohl wissend, dass da eine Botschaft verteilt worden ist, wie in dieser Stadt im Rat in der Mehrheit in Zukunft agiert werden soll.

Natürlich ist es klar, dass der Bürgermeister seine Position an der Stelle zum Tragen bringt, dass gegenüber den Aufsichtsbehörden ein möglichst einheitliches Bild, ein möglichst mehrheitliches Bild des Stadtrates in Bezug auf die Frage der Haushaltskonsolidierung 2011 (immer noch genehmigungspflichtiger Nothaushalt) erforderlich ist.

Wir sind zu diesen Gesprächen nicht eingeladen worden und konnten unser Plazet dazu nicht geben. Wir sind nur vor die Situation gestellt worden nach dem Motto "Unterschreibe oder lass es.". Das ist nicht korrekt.

Das ist auch der Gegensatz zu dem Prozess am Anfang des Jahres 2010, wo wirklich in offenen internen Haushaltskonsolidierungsberatungen mit offenem Visier, aber durchaus sachlich und vernünftig diskutiert worden ist. Wir hätten eigentlich erwartet, dass sich das auch für 2011 wiederfinden könnte. Das ist nicht gewollt gewesen und wir müssen es zur Kenntnis nehmen. Wir spielen nicht auf diese Art und Weise das fünfte Rad am Wagen. Wir erwarten, dass wir mit offenem Visier empfangen werden weil wir auch mit offenem Visier angehen.

Deshalb werden wir, meine Damen und Herren, dem Haushalt 2011 und diesem Papier der Mehrheitsfraktionen nicht zustimmen, wir enthalten uns.

Vielen Dank.