Haushaltsrede zum Haushalt 2018 der Stadt Siegen

Rat Siegen, Martin Gräbener

Rede zur Verabschiedung des Haushalts 2018

Ich möchte heute in freier Rede mit einem Unsinn aufräumen, der sich bei den Haushaltsreden für die Stadt Siegen jedes Jahr wiederholt. Bis zur Kommunalwahl 2020 sind es noch fast zweieinhalb Jahre und man muss nicht bei jeder Haushaltsrede das gesamte Parteiprogramm runterbeten und runterbrechen auf die Belange der Stadt Siegen. Das werde ich heute Abend nicht machen. Ich werde mich in freier Rede auf wenige Punkte konzentrieren, die eigentlich bei einer Haushaltsrede im Zentrum stehen sollten, weil es um diese Punkte eigentlich gehen sollte.

Ich möchte den Beitrag der FDP eben gerade im letzten  Punkt als Beispiel heranziehen und auf etwas hinweisen. Von fünf Seiten Haushaltsrede ist auf der letzten Seite mal gerade eine halbe Seite etwas zumHaushalt gesagt worden. Das halte ich für nicht vernünftig. Bei dieser Haushaltssituation der Stadt Siegen geht es um ein paar andere Dinge in Wirklichkeit.

Dieser Haushalt ist nach wie vor auf Kante gestrickt - massiv. Es ist zwar eine positive Entwicklung von 2016 nach 2017, das neue Defizit ist von 18 Mio. runter auf knapp unter 14 Mio., eine Neuverschuldung weiterhin, aber die Kassenkredite marschieren weiter locker auf 300 Mio. hoch für die laufende Verwaltungstätigkeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was passiert eigentlich, wenn die Null-Zins-Politik der EZB, die gefahren wird, damit einer möglichen neuen großen Finanzspekulationsblase im weltweiten Finanzmarkt entgegengesteuert werden kann durch billige Kredite, wenn die aufhört und sich die Zinspolitik nach oben verändert? Dann haben wir hier in Siegen vor dem Hintergrund dieser Entwicklung eine ganz gräsige Situation. Der Punkt ist einfach der, dass man vor dem Hintergrund dieser Entwicklung in der Frage der Haushaltssituation der Kommunen in Deutschland, in NRW und gerade hier in Siegen von einer wirklichen Vabanque-Situation sprechen muss. Das ist eine weitgehend unverschuldete Situation,  weil die Stadt Siegen, die Verwaltung,die Kämmerei, ist nicht verantwortlich ist für die mangelhaften Gewerbesteuereinnahmen, nicht für die von den konjunkturellen Entwicklungen abhängigen Einkommensteueranteilen usw. Sie ist abhängig von den Finanzmittelzuweisungen des Landes, die gestiegen sind, weil die Bevölkerungsentwicklung in der Stadt Siegen sich verbessert hat und einige anderer Dinge. Das hat dazu geführt, dass das neue Defizit geringer geworden ist insgesamt, aber trotzdem noch knapp 14 Mio. Euro. Vor diesem Hintergrund ist die ganze Haushaltsfrage zu beurteilen, und das ist das Zentrale.

Ich könnte jetzt Ausführungen dazu machen, wie unsere Politik als DIE LINKE in Siegen in Bezug auf die Entwicklung der Stadt Siegen prinzipiell aussieht. Sie können sich darauf verlassen, dass alles, was in Richtung soziale, demokratische und gerechte, auch gerade für die armen Menschen, gestaltete Stadtentwicklung angeht unterstützt werden wird wie bisher. Aber das werden wir in den Fachausschüssen machen, das muss ich hier nicht runterbeten. Deshalb haben wir heute Abend auch diediesbezüglichen Anträge der Jamaika-Koalition unterstützt. Weil, wenn es gute Ideen gibt die tatsächlich positive Wirkungen haben können, ist es der Unterstützung wert gemäß den eigenen politischen  Ansprüchen. Da muss man nicht mit Scheuklappen nach rechts oder links gucken. Es geht um die Sache in der Kommunalpolitik und das ist unser Anspruch.

Der nächste Punkt ist natürlich, dass die Haushaltsentwicklung in der Stadt Siegen nach wie vor von Dingen beeinflusst ist, die wir als Kommune leider aus mangelnder Größe, aus mangelndem Gewicht, im Städte- und Gemeindebund nicht beeinflussen können, die von oben gestaltet werden. Von oben, das heißt Bundesregierung, Landesregierung. Herr Heupel von der CDU hat das angesprochen in seiner Haushaltsrede, da hat er Herrn Cavelius mit seiner Vision am Schluss seines Haushaltskonzeptes zitiert „Wenn sich die Gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht verschlechtern, die Zins- und Energiekosten auf einem niedrigen Niveau verharren und sich keine zusätzlichen Belastungen ergeben erscheint es durchaus realistisch zu sein, dass zumindest der Anstieg der Kassenkredite schon kurzfristig zum Stillstand kommen kann.“ WENN sich keine Verschlechterungen ergeben, das ist der Punkt, warum das nach unserer Auffassung nach eine Hoffnung ist, die positiv ist, die aber auch sehr trügerisch sein und sehr schnell zu einem anderen Ergebnis führen kann.
Was weiterhin ein grundlegendes Prinzip der kommunalen Finanzierung angeht ist, die Verletzung und mittlerweile sich wieder ausweitende Verletzung des Konnexitätsprinzips. Ich habe das in jeder Haushaltsrede der letzten Jahre gesagt, immer wieder: Wer die Musik bestellt soll sie bezahlen. Das  interessiert den Bund und das Land in weiten Teilen nicht. Die Stellenausweitungen, die die Stadt Siegen machen muss kommen auch zum Teil daher. Es wäre schon sehr positiv, wenn zumindest mal ein größerer Anteil der Musik, die bestellt wird, auch bezahlt wird. Das würde den Haushalt wirklich entlasten. Das wäre eine positive Entwicklung, da würden wir mit Sicherheit nichts gegen haben.

Aber es gibt noch einen zweiten Punkt, da werden wir dann wahrscheinlich - vielleicht nicht bei allen Fraktionen hier im Rat - eine große Kontroverse haben. Sie alle wissen, dass es hier in Siegen durchaus Bereiche in der Stadtentwicklung gibt, die sehr positiv sind, gefördert vom Land, durch entsprechende Wettbewerbe - „Siegen – Zu neuen Ufern“ etc. Es hat sich viel getan in Geisweid um das Rathaus herum. Es ist noch einiges offen, der Vollsortimenter muss jetzt schnell kommen, damit diese blödsinnige Diskussion um Aldi aufhört. In Weidenau hat sich eine Menge getan und muss sich auch noch weiter tun.Die Brücke ist fertig, das Ärgernis beseitigt, war notwendig. In Eiserfeld Ortsmitte hat sich eine Menge
getan, aber es gibt noch viele Stadtteile im Bereich der Stadt Siegen, wo die Straßen zum Beispiel in einem Zustand sind, der erbarmungswürdig ist. Was könnte man in Bezug auf die Verbesserung und Reparatur dieser Infrastruktur nicht alles machen, wenn es im Rahmen der Wahrung des Konnexitätsprinzips andere Mittelzuweisungen an die Kommunen gäbe, die die soziale gemeinschaftliche Grundlage unseres Lebens in unserer Gesellschaft sind?

Und es gibt noch einen Punkt: Einige werden vielleicht sagen das ist weit weg, da sind wir nicht von betroffen - doch wir sind davon betroffen. Der sogenannte Bundesverteidigungshaushalt, der Rüstungshaushalt soll bis 2020 um das Doppelte vergrößert werden von jetzt 35 Mrd. Euro Anteil Bruttoinlandsprodukt auf mehr als 70 Mrd. Euro. Was könnte man mit dem Geld alles in den Kommunen positives veranstalten. Im Bereich der Schulen, der Schulentwicklung, im Bereich der Infrastruktur, im Bereich der Altenversorgung, im Bereich dessen, was die öffentliche Wahrnehmung grundlegender Versorgung angeht, die von den Kommunen finanziert werden muss. DAS wäre eine positive Entwicklung, aber das Geld wird in Kriegsvorbereitungen gesteckt.
Die Frage, wie wir damit umgehen als Kommune ist eine Angelegenheit, die wir nicht weit von uns weisen sondern offensiv vorbringen sollten im Städte- und Gemeindebund mit anderen Kommunen gemeinsam, damit die Finanzierung des staatlichen Wesens, der Gesellschaft, vom Kopf auf die Füße gestellt wird und nicht für Machtspiele auf europäischer oder auf weltweiter Ebene zur Verfügung gestellt wird. DAS wäre eine positive Entwicklung und der Zusammenhang. Uns betrifft das als Kommunein Siegen da ganz konkret, weil das Geld fehlt in Siegen.

Der letzte Punkt, den ich sagen muss: Wir wollten eigentlich dem heutigen Vorschlag der Verwaltung für den Haushalt 2018 zustimmen. Der Verwaltungsvorschlag war soweit in Ordnung. Wir haben das diskutiert, es gab keine großen Probleme damit trotz Neuverschuldung,  aber es gibt ja durchaus eine positive Entwicklung in der Hoffnung, dass das weitergeht. Ich habe das sehr mit Fragezeichen versehen, aber trotzdem, die Hoffnung stirbt zuletzt.
ABER die Jamaika-Koalition musste leider heute für die Sitzung des Rates ein Antragsbündel vorlegen, das vorher in den Fachausschüssen nicht beraten werden konnte. Das wäre der normale demokratische Weg einer offenen Auseinandersetzung in den Fachausschüssen und im Rat gewesen. Man hätte sich durchaus auf das Eine oder Andere einigen können. Ich persönlich hätte mit dem größten Teil keine besonderen Schwierigkeiten. Das ist nicht das Problem, aber die Methode, hier, heute, in dieser Art und Weise quasi überfallartig etwas auf den Tisch zu legen und das dann auch noch so zu gestalten, dass es im Rahmen der Haushaltsgesamtabstimmung mit abgestimmt werden soll, diese Methode ist aus den Gründen der demokratischen Auseinandersetzung unter uns, Kolleginnen und Kollegen, nicht nachzuvollziehen und nicht mitzumachen.
Daher bitte ich die Jamaika-Koalition auf meinen Vorschlag einzugehen und zu sagen: „Ok, wir machen das getrennt. Wir stimmen über den Verwaltungsvorschlag der Kämmerei für sich ab und über die Ergänzungsanträge ebenfalls für sich.“ Dann könnte man sich entscheiden, wofür und wogegen man ist. Das wäre eine saubere Methode in der Vorgehensweise.

Als letztes möchte ich Herrn Cavelius und der Kämmerei für die Einbringung des Haushalts, auch unter den Bedingungen des NKF, herzlich danken. Nach meinem Eindruck aus dem Bereich des Finanzarbeitskreises ist die Kritik an der Darstellungsweise durchaus aufgenommen worden. Es ist noch nicht genug, aber es ist auf dem richtigen Weg, auch für Leute, die sich nicht mit dem Finanzwesen usw. auskennen.

 

 

Dateien