Haushaltsrede 2023-Fraktion DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Sehr geehrter Herr Cavelius,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Medienvertreterinnen und Medienvertreter,

Das vergangene Jahr hat uns eine Vielzahl von Problemen gebracht, die im Vorfeld niemand hätte erahnen können.

Plötzlich gingen die Preise für Waren des täglichen Bedarfes, Heizenergie, Strom und Kraftstoff faktisch durch die Decke.                                                                       
Auch wenn es einige Hilfen vom Bund für Bürger und Kommunen gegeben hat,
konnten die Probleme nur teilweise abgeschwächt werden.                                           
Zeitgleich zu den gestiegenen Kosten kam auch noch die Angst vor
Energieknappheit dazu.                                                                                              
Zuzüglich zu den gestiegenen Energiepreisen kamen auch noch Kosten für die
Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine dazu.       
Positiv ist anzumerken, dass es der heimischen Wirtschaft im vergangenen Jahr gut gegangen ist und somit eine nicht unerhebliche Summe an Gewerbesteuer in die Stadtkasse gespült wurde.                                                                                          
Dieses Geld wird auch dringend gebraucht um die Vielzahl an Pflichtaufgaben von
Bund und Land stemmen zu können. Denn trotz allem wird das Konnexitätsprinzip immer noch nicht ausreichend eingehalten. Wer die Musik bestellt, muss Sie auch bezahlen!                                                                                                                    

Siegen braucht dringend sozialen Wohnungsbau.
In den kommenden Jahren wird ein Großteil der heute noch existierenden
Sozialwohnungen aus der Preisbindung herausfallen und somit den berechtigten
Bürgern nicht mehr zur Verfügung stehen.
Wenn es nicht dazu kommen soll, dass sich Siegen nur noch besser Verdienende
leisten können, muss schnellstmöglich etwas passieren.
Wann wird die KEG endlich mit genügend Personal ausgestattet, um dieser wichtigen Aufgabe nachzukommen?
Die private Wirtschaft richtet es eben nicht!!!
Bereits vor der Pandemie gab es Menschen, gab es finanziell benachteiligte Menschen. Wenn erst mal der Mechanismus „ohne Arbeit keine Wohnung und ohne Wohnung keine Arbeit“ gegriffen hat, ist es schwer da wieder ohne Hilfe raus zukommen.
Daher begrüßen wir sehr das Konzept „Housing First“ für Siegen. Denn das kann für Viele einen Ausweg aus der Hoffnungslosigkeit bedeuten.
In Zeiten von Flucht und Vertreibung ist es wichtig, dass Menschen in Siegen
Ansprechpartner finden, die ihnen die Integration erleichtern.
Solche Ansprechpartner finden sich im Quartier Hammerhütte im KIQ.                   
Eine Vielzahl von Angeboten sorgt dafür, dass Menschen sich in der Fremde
zumindest ein wenig zu Hause fühlen können.                                                         
Eine wichtige Anlaufstelle war auch der Umsonstladen.                                            
Es bleibt nur zu hoffen, dass beides, das KIQ und der Umsonstladen dauerhaft
erhalten bzw. wieder eröffnet werden können.

Erinnerungskulturell hat sich die positive Entwicklung des Vorjahres weiter fortgesetzt. Auch wenn das mit dem Bohren ganz dicker Bretter einherging.
Von den Empfehlungen des Arbeitskreises „Aufarbeitung der historischen Hintergründe von Straßennamen in Siegen“ sind vier Namen zur Umbenennung bzw. Umwidmung vom Rat bestimmt worden. Drei weitere, zunächst zurück gestellte, hat der AK kürzlich erneut zur Umbenennung vorgeschlagen. 
Wir gehen davon aus, dass der über alle Parteigrenzen hinweg immer vertrauensvoll-konstruktiv, zielstrebig und mit wissenschaftlicher Unterstützung arbeitende AK auch die weitere Entwicklung effektiv (mit) vorbereiten wird. 
Dass die Linke weiterhin die Causa „Fissmer“ nicht als final abgehakt betrachtet, sei auch hier noch einmal betont.

Kommen wir zu dem Thema Daseinsvorsorge:

Der Zugang zu qualitativ hochwertigem und kostenlosem Trinkwasser gehört für die Linke absolut dazu. 

Mit unserem Antrag zum Haushalt 2023, leitungsgebundene Wasserspender in allen städtischen Schulen zu installieren, ermöglichen wir insbesondere den Schülerinnen und Schülern den kostenlosen Zugang zu hochwertigem

Trinkwasser, was von Seiten der SVB bis zur Übergabestelle der Gebäude geliefert wird. 

Angesichts zu erwartender künftiger Hitzeereignisse wollen wir diese kostenlose gesunde Alternative zu den kalorienreichen Getränken auch im öffentlichen Raum für die Bevölkerung fordern.

Wenn ich nun im Weiteren in der Haushaltsdebatte zum Thema „menschengerechte Mobilität“ Stellung nehme,
haben Sie gewiss eine bestimmte Vermutung:  Die LINKE fordert mal wieder mehr Geld für die Förderung des Radverkehrs.
Vielleicht habe ich jetzt eine Überraschung für Sie dabei:
Die Linke begrüßt die vielen bereits sichtbaren Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs in unserer Kommune, die aufgrund ihrer Topographie traditionell keine sogenannte „Fahrradstadt“ sein konnte.
Zu viele Berge, zu enge Täler ... und zu viele Blicke durch Tunnel, in denen immer nur Autos unterwegs sind.
Die Industrie baut mittlerweile bergtaugliche Fahrräder auch für durchschnittlich trainierte Wadenmuskeln.
Auf den Straßen wird die Bevölkerung durch Maßnahmen der Siegener Verwaltung an vielen
Stellen sichtbar eingeladen, das Auto stehen zu lassen und mit dem Fahrrad neue Wege durch unsere Stadt zu nehmen.
Mehr Investition geht immer, das ist klar, aber wir sehen den Fortschritt. Da sagen wir „Weiter so“.
Aus der politischen Führungsetage unserer Kommune hören wir aber noch nicht die klare Ansage an die Bevölkerung, die wir uns wünschen.
Die Menschen in der Stadt Siegen müssen gewonnen werden als Mit-Akteure bei all den notwendigen Veränderungen, die vor uns allen liegen.
Die Anlage von Fahrradwegen muss ergänzt werden z.B. durch eine Kontrolle der Parkhäuser, in denen fette SUVs rotzfrech zwei Plätze belegen – aber natürlich nur einen bezahlen.
Durch Fahrradboxen in den unteren Etagen der Parkhäuser, an denen auch die silbergrauen Limousinen vorbeifahren müssen.
Durch die Umwandlung von PKW-Stellplätzen zu Abstellanlangen für Fahrräder – sichtbar, attraktiv gestaltet, mit der klaren Botschaft „Komm ́ lieber mit dem Fahrrad“.
Im „Nationalen Radverkehrsplan 2020“ wurde schon gesagt „Städte mit hohem Anteil an Radverkehr werden als „lebenswerte Stadt“ wahrgenommen. Fahrrad-Förderung ist Standort-Förderung. Wir wünschen uns ehrgeizigere Ziele unserer Stadt und geben dazu gerne etwas Nachhilfe in
Mathematik:  Für das Jahr 2019 wurde für die Stadt Siegen ein Radverkehrsanteil von 3,9 % gemessen und für das Jahr 2030 ein Anteil von 6,3% angepeilt. Im Frühjahr 2020 verkündete der Bürgermeister im Rahmen des Corona-Fahrradbooms: „Der Anteil des Radverkehrs hat sich verdoppelt.“ Da haben wir mal fleißig gerechnet und sind auf 7,8% Anteil des Radverkehrs in der
Stadt Siegen schon im Jahr 2020 gekommen.
Wie wäre es dann zum Beispiel mit 15% für das Jahr 2030? Wir sind überzeugt, dass die Menschen in unserer Stadt das wollen.

Auch in unserer Stadt sind Schulen zu Orten geworden, in denen Vielfalt herrscht
und Integration gelingt – bei allen Problemen, die das notwendig mit sich bringt.
Besondere Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen brauchen auch besondere
Betreuung – neben dem  „Recht auf individuelle Förderung“, das im NRW-
Schulgesetz in §1 für alle Schülerinnen und Schüler festgeschrieben ist.
Beides kann in großen Systemen geleistet werden – wenn sie organisatorisch und
pädagogisch für beide Aufgaben gut aufgestellt werden.
Dann bieten sie auf der einen Seite die emotionale Wärme kleiner Gruppen und die Verlässlichkeit enger pädagogischer Unterstützung.
Dann bieten Sie aber auf der anderen Seite im selben System die Möglichkeit für
Kinder und Jugendliche, sich auf neue Wege zu begeben – wenn zum Beispiel ihre
zunehmende Beherrschung der deutschen Sprache den persönlichen Talenten
Raum verschafft. Langfristig sind auch für die Kommunen die großen Schul-Systeme billiger. Sie vermeiden die Parallelwelten vieler Einzel-Verwaltungen und Zuweisungen von Förderkräften.
Wir haben zunächst die Hauptschule Achenbach und die Realschulen dabei
unterstützt, Gehör zu finden. Für ihre berechtigte Sorge, dass ihre besonders gute Ausstattung mit pädagogischem Personal im Rahmen einer Gesamtschule nicht mehr in gewohntem Umfang zur Verfügung stehen könnte.
Nur aus diesem Grund haben wir zunächst gegen die Errichtung einer 4.
Gesamtschule in Siegen gestimmt.
Die Schulen haben sich aus unserer Sicht dann einer politischen Kampagne
angeschlossen, die das dreigliedrige Schulsystem auf Dauer erhalten möchte –
gegen alle wissenschaftlichen Belege, dass selektive Systeme weniger
leistungsfähig sind als integrierte Systeme.
Das fanden wir falsch. Wir wünschen der 4. Gesamtschule in Siegen viel Erfolg – und wir hoffen, dass die Lehrerinnen und Lehrer der Hauptschule und der Realschulen ihr pädagogisches Feuer in diese neue integrative Schule tragen.

Und last but not least das Thema Frauen im öffentlichen Dienst:

Es gibt nach wie vor zu wenige Frauen im öffentlichen Dienst. Die Gründe dafür sind mannigfaltig und lange bekannt. Frauen sind nach wie vor diejenigen, die maßgeblich die Kinder betreuen und die oft die Care-Arbeit leisten. Dies zeigte sich ganz besonders in der Corona-Pandemie.

Der Öffentliche Dienst soll die Erfüllung aller Aufgaben sichern, die der Staat zu leisten hat. Vom Finanzamt über das Krankenhaus bis zum Justizvollzug, von der Schule über die Müllabfuhr bis zum Öffentlichen Nahverkehr bewegt sich die Bandbreite der ureigenen Arbeitsfelder des Öffentlichen Dienstes. Rund 4,7 Millionen Menschen arbeiten in der Bundesrepublik in diesem Bereich. Mehr als die Hälfte davon sind Frauen.

Von 1991 bis 2008 hat sich die Zahl der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst von 6,4 auf 4,5 Millionen verringert. Nach einer leichten Erholung in den Folgejahren ist die Zahl der Beschäftigten zuletzt erneut gesunken. Dabei gibt es einen enormen Bedarf an sozialen Dienstleistungen. Wenn alle Frauen, die dies möchten, einer Erwerbstätigkeit nachgehen würden, wären mehrere Hunderttausend zusätzliche Arbeitsplätze in der Kinderbetreuung nötig.

Wir wünschen allen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Siegen und der Kommune als Ganzes trotz allem ein gutes Jahr 2023, ein friedliches Zusammenleben und eine gute wirtschaftliche Entwicklung! Glück auf!