Antrag: „Für den Erhalt der Stichwahl – Ratsmitglieder sind für alle da - kein Sonderweg für NRW!“

Rat Siegen, Henning Klein / Detlef Rujanski / Hans-Günter Bertelmann

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Mues,

die unterzeichnenden Fraktionen bitten, folgenden Antrag auf die Tagesordnung der o. g. Sitzungen des Rates zu setzen:

 

Beschlussvorschlag:

Der Rat der Universitätsstadt Siegen fordert die NRW-Landesregierung und die Mitglieder des Landtags NRW auf:

1. Auf die geplante Änderung des Kommunalwahlgesetzes zur Abschaffung der Stichwahl der Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten zu verzichten und die Stichwahl beizubehalten.

2. Auf die geplante Änderung in § 4 Abs. 2 Kommunalwahlgesetz, nach der bei der Einteilung der Wahlbezirke künftig die Nicht-EU-Ausländer bei der Berechnung der Einwohnerzahl nicht mitgezählt werden sollen, zu verzichten.

 

Begründung:

Zu 1.:

Die Stichwahl hat sich als Instrument der Demokratie für die Wahl der Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten bewährt. Sie wurden erstmalig im Jahr 1994 in NRW eingeführt und 2007 zur Kommunalwahl 2009 wieder abgeschafft.

Bei der Kommunalwahl 2009 haben mangels Stichwahl Kandidatinnen und Kandidaten in einigen Kommunen gewonnen, die weniger als ein Drittel aller Stimmen auf sich vereinen konnten.

Anders ausgedrückt: Rund 70% der zur damaligen Wahl gegangenen Bürgerinnen und Bürger hatten „ihre“ Bürgermeisterin/„ihren“ Bürgermeister bzw. „ihre“ Landrätin“/ihren Landrat nicht gewählt.

Solch niedrige Stimmenanteile der Wahlsiegerinnen und Wahlsieger gewährleisteten keinen ausreichenden Rückhalt durch die Bürgerinnen und Bürger. Zudem würde die Abschaffung der Stichwahl bei einer immer weiter zersplitternden Parteienlandschaft Zufallsergebnissen Tür und Tor öffnen.

Nach Auffassung der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hat die Wiedereinführung der Stichwahl im Jahr 2011 wieder zu einer höheren Legitimation der/des Gewählten geführt.

Die niedrigere Wahlbeteiligung in der Stichwahl wird durch die in der Stichwahl beschränkte Auswahl zwischen den beiden besten Bewerbern des ersten Wahlgangs kompensiert. So ist die auf die in der Stichwahl obsiegende Kandidatin oder Kandidaten entfallende Anzahl der absoluten Stimmen in nahezu allen Fällen höher, als die absolute Stimmenzahl des besten Bewerbers im ersten Wahlgang.

Auch die Erfahrungen mit der Stichwahl in anderen Bundesländern zeigen, dass sich die Stichwahl bewährt hat. Nachdem Thüringen mit dem Gesetz vom 26. Februar 2010 die Stichwahl wieder eingeführt hat, verfügen alle Bundesländer über ein Stichwahlsystem für die Wahl der Hauptverwaltungsbeamtinnen und –beamten. NRW darf hier keinen Sonderweg gehen!

Die Möglichkeit zur Stichwahl ermöglicht den Wählerinnen und Wählern stärker als bei nur einem Wahlgang mit einfacher Mehrheit präferenznäher zu wählen. Gerade dieser Vorteil ist für Anhänger kleinerer Parteien, Verbünde oder Bürgerinitiativen nicht von der Hand zu weisen. Diese könnten auf diese Art und Weise ihre Stimmen aus dem ersten Wahlgang im Stichwahlgang erneut auf eine von ihnen favorisierte Kandidatin bzw. Kandidaten übertragen. So würde nicht nur die demokratische Legitimation durch die dann bestehende absolute Mehrheit erhöht, sondern auch der Einfluss der Bürgerinnen und Bürger gestärkt.

Die Stichwahl sichert den Stimmwert der Bürgerinnen und Bürger, die sich im ersten Wahlgang für einen unterlegenen Kandidaten ausgesprochen haben, indem diese sich erneut zwischen den beiden stärksten Bewerbern des ersten Wahlgangs entscheiden können.

Die finanziellen Mittel für die Stichwahl sind eine gute Investition in die Demokratie. Demokratie kostet Geld!

Zu 2.:

Auch die geplante Änderung bei der Einteilung der Wahlbezirke wird abgelehnt.

Eine solche Änderung führt in der Praxis dazu, dass insbesondere die Wahlbezirke, in denen ein erhöhter Anteil an Nicht-Deutschen und Nicht-EU-Bürgern ihren Wohnsitz haben, unnötig vergrößert werden.

Vergrößert werden somit gerade die Wahlbezirke, in denen die Menschen aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage ohnehin von der Kommunalwahl ausgeschlossen sind und den Eindruck haben, in einem „abgehängten“ Stadtteil zu leben. Durch die geplante Änderung werden diese Menschen noch weiter von der Gesellschaft entfremdet, indem ihnen die Möglichkeit, mit ihrem Ratskandidaten Kontakt aufzunehmen durch den deutlich höheren Betreuungsaufwand der Kandidatinnen und Kandidaten erschwert wird.

Gerade diese Wahlbezirke bedürfen aufgrund ihrer sozialen Struktur einer erhöhten Aufmerksamkeit durch die Ratskandidatinnen und -kandidaten.

Betroffen hiervon sind nicht nur die nicht wahlberechtigten Einwohner, sondern auch die in diesem Wahlbezirk lebenden Wählerinnen und Wähler.

Gerade die Kommunalpolitik lebt jedoch davon, dass jeder Einwohner „seine“ Kandidatin oder „seinen“ Kandidaten mit seinen konkreten Problemen ansprechen kann, denn auf keiner anderen Ebene ist die unmittelbare Betroffenheit der Einwohner so groß, wie auf der kommunalen Ebene.

Hierin ist auch der Grund zu sehen, warum in allen anderen Flächenländern Deutschlands ebenfalls alle Einwohner bei der Bestimmung der Wahlbezirksgröße mitzählen. NRW darf auch hier keinen Sonderweg gehe!

 

Detlef Rujanski

Vorsitzender der

SPD-Fraktion

im Rat der Universitätsstadt Siegen

 

Hans-Günter Bertelmann

Vorsitzender der

UWG-Fraktion

im Rat der Universitätsstadt Siegen

 

Henning Klein

Vorsitzender der

Fraktion DIE LINKE

im Rat der Universitätsstadt Siegen